Wieder zwei Jahre rum … Die elfte Ausgabe der Biennale de l’image possible (BIP) macht mit acht Ausstellungen, einem Photobook-Festival sowie rund 30 OFF-Veranstaltungen deutlich, dass Lüttich längst in der Topliga der zeitgenössischen Fotografie und Bildenden Kunst mitspielt. Eine dringende Ausflugsempfehlung! Der Hauptausstellungsort ist dieses Jahr wieder La Boverie, das neue museale Schmuckstück Lüttichs. Vor der Renovierung des pompösen Weltausstellungsgebäudes war die „BIP“ hier zuletzt 2010 mit „(Out Of) Control“ zu Gast, die überlebensgroßen Fotografien der in skulpturenhafter Selbstbeherrschung erstarrten, sonnenbankgegerbten Bodybuilderinnen von Martin Schoeller (*1968) haben ihren Platz im ewigen Bildgedächtnis.
Heute – acht Jahre später – zeigt das Titelmotiv der „BIP“ ein Frauenporträt der Fotografin und Bildenden Künstlerin Smith (Dorothée Smith *1985) mit Schlangentattoo und rasiertem Schädel in abgewandter Seitenansicht, zart, blass, ätherisch und androgyn. Nicht nur die Technik der Fotografie und Medienkunst hat sich in den letzten Jahren verändert, auch der Blick auf Visuelles und die Wahrnehmung von Realität ist in stetem Wandel. So verarbeiten die Künstler/innen der „BIP“ Krisen, Katastrophen und Chaos in der Welt nicht als Anklage oder Kritik, sondern machen sie zum Ausgangspunkt einer ästhetischen Auseinandersetzung und Schaffung neuer Utopien. Es geht nicht um globale Antworten oder gar Hoffnung: „Alle Künstler verwandeln auf ihre ganz individuelle Weise einen zerstörerischen Akt in einen schöpferischen Akt“ formuliert Anne-Françoise Lesuisse, die künstlerische Leiterin der „BIP“, das Leitmotiv der Ausstellungssektion Fluo Noir in der Boverie.
Schon der Ausstellungstitel „Neonschwarz“ ist ein Paradoxon, pure Fiktion. Die ausstellenden Künstler/innen eint die Suche nach der Schönheit im Chaos. Besonders deutlich wird dies bei den Arbeiten von David de Beyter (*1985), der 2014 die „Banger racing“-Szene entdeckte, in der alte Autos demoliert werden. De Beyter enthebt die plastischen Elemente ihrem Kontext, stellt die deformierten Autowracks als Skulpturen ins Museum, während in seinen Videoarbeiten Autos dekorativ wie ein Kaminfeuer brennen oder als zwei aneinander geschweisste PKW-Vorderteile im Kreis fahren.
Krass und verstörend ist die Arbeit von der an der Königlichen Akademie der schönen Künste in Lüttich ausgebildeten Eva L’Hoest (*1991): Ihre erste Version eines bisher unveröffentlichten Virtual Reality-Werks schafft einen bedrückenden Einblick in einen scheinbar derangierten Flugzeugkorpus, in dem sich die Körper der Insassen aus den Sitzen formen, mit ihnen verschmelzen, sich in ihnen verlieren. Auch Viviane Sassen (*1972) lässt in ihrem Bildzyklus „Lexicon“ Menschen zu Skulpturen werden.
Die international renommierte Mode- und Kunstfotografin versetzt die Dargestellten mit einer emotionalen Bildsprache in surreale Szenerien, in der intensive Farbe und pointiert gesetzte Schatten die Wahrnehmung herausfordern, beispielsweise indem ein Mann ein Kind wie einen Hut auf dem Kopf trägt. Die weiteren Stationen der „BIP“ liegen verstreut in Lüttich, besonders empfehlenswert ist der Besuch von „La Flamme double“ in der Galerie Les Brasseurs (Toplocation in einem ehemaligen Gardinengeschäft), wo sieben junge Absolventen der Hochschule für Fotografie Arles (F) ausstellen sowie „Pussy“ (überwiegend Katzenbilder) des Künstlers Michael Dans und der Kuratorin Pauline Salinas in der Space Collection. \bep
Bis zum 1. April
„BIP“ an verschiedenen Orte, Lüttich (unter anderem La Boverie).
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