Von Dirk Tölke
Die Ausstellung ist keine klassische retrospektive Bilderschau an den Wänden, die 50 Jahre künstlerisches Tun darstellen will und dafür die vielen Medien nutzt, die Jürgen Claus früh aufgegriffen hat, sondern es ist ein Eintauchen in die Ideenwelt eines aktiven Netzwerkers, der immer aufs Neue an der Zukunft der Entwicklung weiterdenkt. Drei Kernthemen sind mit Kunstwerken, Büchern und Modellen auf inselhaften Strängen von Achtecktischen, in Filmräumen und an den Wänden arrangiert.
Das Meer, Kristalle und die Sonne als Lebensraum, Formwelt und Energiequelle sind immer wieder bearbeitete Themenkreise, die Jürgen Claus, wissenschaftlich, technisch und philosophisch erfasst, historisch, symbolisch und formal auf den Punkt bringt und dann in Collagen zu bildhaften Denkansätzen verdichtet, die eine eigene graphische und kombinatorische Phantasie entfalten. Seine Bilder geben weniger zum ästhetischen Genuss, als zum Denken Anlass, ohne dabei ideologisch oder doktrinär zu werden.
Die Biosphäre als Ganze soll für die Kunst erschlossen werden. Die Kunst öffnet Räume. Darum greift er oft auf für jeden nachvollziehbare Naturphänomene zurück, auf einfache, kulturell schon lange assoziativ belegte Bildzeichen und stiftet in neuem Arrangement und Gewand andere Denkzusammenhänge.
Gedruckte Quellen, gezeichnete Bilder, Fotografien aus naturwissenschaftlicher Quelle, kulturhistorisch aufgeladen und dann zu eigener deutender Bildwelt zusammengestellt, nutzen als kompositorisches Muster intellektuelle Bezüglichkeiten, die musikalische, geometrische, architektonische, astronomische und naturwissenschaftliche Strukturen und Konstellationen aufgreifen.
Das ist der wissenschaftlichen Illustration nahe, collagiert ohne Willfährigkeit und Zufälligkeit. Es hat auch nichts mit Surrealismus zu tun, will nicht bloße Geistesreizung oder Erforschung der Psyche sein. Hier wird nicht durchdekliniert, sondern es werden Zusammenhänge gestiftet, was der Ausstellungsaufbau wunderbar frei anbietet. Es geht wohl in seiner Bildpoesie um die Nutzung von Assoziationskeimen für Emotionen.
Anfangs popig und psychedelisch, später farbstark und konstruktiv dient die Konstellation dazu, nicht Phänomene nur zu dokumentieren oder analysieren, sondern dafür zu begeistern, der Natur und dem Neuen angstfrei zu begegnen.
Die Natur wird schon erobert und gestaltet, aber nicht als Kulisse, Beutegut oder Materiallager betrachtet. Die Unterwasserwelt nicht nur als Korallenlandschaft darzustellen, sondern als Lebensraum mit eigenen Bedingungen (Licht von Oben, Druck, Tiefe, Temperatur, Strömungen), als Sphäre, in der man sich komplett anders bewegt (Planet Meer) ist etwa ein Ziel dieser Bildwelten. Künstlerisch gestaltete Solarflächen wären ein anderes, das die Technik aus ihrer Pragmatik entbindet und zum Lebenszeichen macht, zum Lichtträger. Ein Fackelträger ist Jürgen Claus selbst. Er läuft voran und macht das Neue sichtbar.
Eine reichhaltige Ausstellung nicht nur zum Gucken, sondern auch zum Blättern, Auseinandersetzen, Staunen und Erkennen. Ein Parcour des Mitdenkens, der Anstoß gibt, sich in die Synapsenbahnen einzufädeln, die Jürgen Claus vorausgedacht hat. Oder man geht nach Baelen, ins Centrum Overroth für biosphärische Kunst, wo er seit 1989 mit seiner Frau Nora wohnt. \
bis 27.5.
Jürgen Claus – „Je suis atoll“
Bilder und Medien 1968-2018
IKOB – Museum für Zeitgenössische Kunst, Eupen
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