Neue, schräggestellte Wände schaffen Wandfläche bei gleichzeitiger Offenhaltung des Durchblicks im Ludwig Forum. Es galt, bei der bislang größten Präsentation kubanischer Gegenwartskunst ca. 150 Werke von 72 Künstlern unterzubringen. Alte Erwerbungen der Sammlung Ludwig von 1990 sind dabei in Themeninseln mit Arbeiten nach 2003 in Beziehung gesetzt.
Ohne den Kontext einer Führung, des Internets und des künftigen Kataloges ist eine Veränderung der heute wieder auf Havanna konzentrierten Kunstszene und des Ausdruckstenors seit dem Krisenmodus ab 1989 nicht so ohne weiteres zu erschließen.
Was auffällt ist, dass die kritische Auseinandersetzung mit den politischen Führern, die in Kuba früher deutlich erotischer aufgeladen waren, als in der Ex-UDSSR, in den neueren Arbeiten ausgegrenzter erscheint. Damals war der kubanische Einsatz in Angola auch aktueller. Dafür ist die Auseinandersetzung mit Sexualität deutlicher und drastischer.
Sozialistischer Realismus, der die Welt darstellen soll, wie sie sein soll und nur beim ideologischen Gegner zeigen darf, wie sie ist, findet sich nur selten, wird dann ironisch zitiert. Eine möglicherweise neben Regimeinszenierungspopanzkritik auch kunstmarktaffine Überdimensionierung der Formate im Malerischen und gelegentlich im Plastischen ist ein Bildmittel, ein anderes eine vielfältig schlichte Kombination von symbolhaften Elementen (u.a. Machete, Meer, Boote) zu einer kritischen Anmerkungskultur über Bürokratie, Militär, Rassenkonflikte, Industrieniedergang und Ungleichheit. Ironie, Humor, Verzweiflung und Provokation findet sich mehr im Inhaltlichen.
Frauen wagen mehr formale Experimente. Darüber hinaus scheint die evtl. volksnahe Dokumentation afrikanisch importierter Kulte und diverser Schutzzauber ungewöhnlich häufig aufzutauchen und bestimmend für jüngere kubanische Künstler zu sein. Nothelfer trotz Opium fürs Volk und Trennung von Staat und Kirche? Eine Aufarbeitung der eigenen Geschichte scheint Ansätze zu finden, soweit sie sichtbar werden durfte, wie etwa die kreativ erlittene Armut in Fotografien. \dito
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