Von Ulrich Herzog
Polaroidfotos, die wenig Raum für Zweifelsfragen lassen, dienen als Beweismittel. Es kursieren Listen von 88 männlichen „Zeugen“, welche aus eigenem Erleben pikante Beiträge zur ungezähmten Lebensweise Margarets und ihren Sexualpraktiken machen können, die man, nach Meinung des Scheidungsrichters, „nördlich von Marrakesch nur selten findet“. Dabei ist der Duke selbst auch kein Kostverächter. Treulosigkeiten sind für ihn aber das, was einem Mann „so passiert“, bei einer Frau jedoch nicht zu tolerieren sind.
Der Ehescheidung folgen die Aberkennung des Adelstitels und die gesellschaftliche Ächtung der alsdann sogenannten „Dirty Dutchess“. Am Ende ihres Vermögens sind noch einige Lebensjahre übrig, die sie mittellos in einem Pflegeheim verbringt, wo sie 1993 stirbt. Das Leben Margaret Campells in sieben Episoden ist Stoff für die 2004 uraufgeführte Oper „Powder Her Face“, die am 19. März im Theater Aachen Premiere hatte.
Das Libretto stammt aus der Feder des Briten Philip Hensher, der nach eigenem Bekunden den jungen Komponisten Thomas Adès zu seiner ersten Opernkomposition mit der Aussicht köderte, er könne eine Blowjob-Arie schreiben, „am Anfang mit Worten und am Schluss mit Glucksen“. So geriet besagte Methode erstmalig in die Oper genauer gesagt – und weil über andere Räume hier nicht spekuliert werden soll – auf die Bühne einer Oper.
Eva Bernard in der Rolle der Duchess ist nicht nur in dieser Szene darstellerisch überzeugend, sondern auch bei der vollmundigen stimmlichen Interpretation von besagtem Glucksen. „Powder Her Face“ zählt zu den häufig gespielten zeitgenössischen Opernwerken. Die Musik ist – trotz der vergleichsweise überschaubaren Instrumentierung – von großer expressiver Kraft. Adès gelingt es zudem, zeitgenössische klassische Musik auch für ein breiteres Publikum erlebbar zu machen, indem er beispielsweise Anleihen beim Jazz und den Tangos Astor Piazzollas sucht.
Die Orchestrierung bezieht auch die Klangfarben von nicht originär der Tonerzeugung dienenden Gegenständen, wie zum Beispiel einer Angelspule, mit ein. Kongenial umgesetzt wird die Musik durch das Aachener Sinfonieorchester unter Justus Thorau, der mit dieser Arbeit erneut sein breit angelegtes musikalisches Repertoire unter Beweis stellt. Die weiteren Solostimmen sind besetzt mit Bart Driessen, Patricio Arroyo und Jelena Rakic. Alle haben, mit Ausnahme der Figur der Herzogin, gleich mehrere Personen darzustellen und bewältigen die technischen Herausforderungen der extrem schwierigen Partien, wie die ausgezeichnete Eva Bernard auch, mit scheinbar müheloser Leichtigkeit. Auch schauspielerisch kann die Leistung überzeugen.
Eigene Inszenierung, neue Figur
Die Aachener Inszenierung von Ludger Engels fügt der Figur der Herzogin eine weitere, von der Schauspielerin Elisabeth Ebeling verkörperte Person, die betagte Margaret Campbell, hinzu. Sie tritt immer wieder in die Szenerie ein und interagiert auch mit ihrem jüngeren Alter Ego. Interessante Deutungsmöglichkeiten treten so zutage, je nachdem, ob man die alte Margaret als Vanitasmotiv drohender Vergänglichkeit oder die jüngere als Traumbild der älteren betrachtet.
Das Echo des Premierenpublikums fiel zwiespältig aus. Während die musikalische Interpretation mit lang anhaltendem Applaus entlohnt wurde, gab es einzelne, aber deutlich vernehmbare Missfallensbekundungen für die Inszenierung. Was genau die Buhrufer erwartet haben, erschließt sich allerdings nicht.
Tickets gibt es bei KlenkesTicket im Kapuziner Karree.
Vollmundige Töne
„Powder Her Face“ auf der großen Bühne des Theater Aachen
Von Ulrich Herzog
Polaroidfotos, die wenig Raum für Zweifelsfragen lassen, dienen als Beweismittel. Es kursieren Listen von 88 männlichen „Zeugen“, welche aus eigenem Erleben pikante Beiträge zur ungezähmten Lebensweise Margarets und ihren Sexualpraktiken machen können, die man, nach Meinung des Scheidungsrichters, „nördlich von Marrakesch nur selten findet“. Dabei ist der Duke selbst auch kein Kostverächter. Treulosigkeiten sind für ihn aber das, was einem Mann „so passiert“, bei einer Frau jedoch nicht zu tolerieren sind. Der Ehescheidung folgen die Aberkennung des Adelstitels und die gesellschaftliche Ächtung der alsdann sogenannten „Dirty Dutchess“. Am Ende ihres Vermögens sind noch einige Lebensjahre übrig, die sie mittellos in einem Pflegeheim verbringt, wo sie 1993 stirbt. Das Leben Margaret Campells in sieben Episoden ist Stoff für die 2004 uraufgeführte Oper „Powder Her Face“, die am 19. März im Theater Aachen Premiere hatte. Das Libretto stammt aus der Feder des Briten Philip Hensher, der nach eigenem Bekunden den jungen Komponisten Thomas Adès zu seiner ersten Opernkomposition mit der Aussicht köderte, er könne eine Blowjob-Arie schreiben, „am Anfang mit Worten und am Schluss mit Glucksen“. So geriet besagte Methode erstmalig in die Oper genauer gesagt – und weil über andere Räume hier nicht spekuliert werden soll – auf die Bühne einer Oper. Eva Bernard in der Rolle der Duchess ist nicht nur in dieser Szene darstellerisch überzeugend, sondern auch bei der vollmundigen stimmlichen Interpretation von besagtem Glucksen. „Powder Her Face“ zählt zu den häufig gespielten zeitgenössischen Opernwerken. Die Musik ist – trotz der vergleichsweise überschaubaren Instrumentierung – von großer expressiver Kraft. Adès gelingt es zudem, zeitgenössische klassische Musik auch für ein breiteres Publikum erlebbar zu machen, indem er beispielsweise Anleihen beim Jazz und den Tangos Astor Piazzollas sucht. Die Orchestrierung bezieht auch die Klangfarben von nicht originär der Tonerzeugung dienenden Gegenständen, wie zum Beispiel einer Angelspule, mit ein. Kongenial umgesetzt wird die Musik durch das Aachener Sinfonieorchester unter Justus Thorau, der mit dieser Arbeit erneut sein breit angelegtes musikalisches Repertoire unter Beweis stellt. Die weiteren Solostimmen sind besetzt mit Bart Driessen, Patricio Arroyo und Jelena Rakic. Alle haben, mit Ausnahme der Figur der Herzogin, gleich mehrere Personen darzustellen und bewältigen die technischen Herausforderungen der extrem schwierigen Partien, wie die ausgezeichnete Eva Bernard auch, mit scheinbar müheloser Leichtigkeit. Auch schauspielerisch kann die Leistung überzeugen. Die Aachener Inszenierung von Ludger Engels fügt der Figur der Herzogin eine weitere, von der Schauspielerin Elisabeth Ebeling verkörperte Person, die betagte Margaret Campbell, hinzu. Sie tritt immer wieder in die Szenerie ein und interagiert auch mit ihrem jüngeren Alter Ego. Interessante Deutungsmöglichkeiten treten so zutage, je nachdem, ob man die alte Margaret als Vanitasmotiv drohender Vergänglichkeit oder die jüngere als Traumbild der älteren betrachtet. Das Echo des Premierenpublikums fiel zwiespältig aus. Während die musikalische Interpretation mit lang anhaltendem Applaus entlohnt wurde, gab es einzelne, aber deutlich vernehmbare Missfallensbekundungen für die Inszenierung. Was genau die Buhrufer erwartet haben, erschließt sich allerdings nicht. \ 9.4. „Powder Her Face“ 15 Uhr, Bühne, Theater Aachen
www.theateraachen.de
KlenkesTicket im Kapuziner Karree
Am Rande Elisabeth Ebeling hatte ihr erstes Engagement nach dem Schauspielstudium an der Hochschule für Musik und Theater Hannover am Bremer Theater. Bevor sie zur Spielzeit 2005/06 ans Theater Aachen wechselte, war sie an unterschiedlichsten Bühnen in Deutschland tätig. In der Spielzeit 2016/2017 tritt sie in „Powder Her Face“ und „Die Ereignisse“ auf. \
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