Um die Aachener Clubkultur ist es ruhig geworden.
Von Richard Mariaux
Der Aufschrei nach Schließung von zuletzt Aoxomoxoa, Jakobshof und dem Tanzpalast ist verhallt und auch die Aachener Politik scheint wieder anderen Themen Vorrang einzuräumen. Nichts gegen die kleinteilige Vielfalt, die engagierte Kneipiers an eigener Kulturarbeit an den Tag legen – vergessen werde sollte auch nicht das Autonome Zentrum – aber ohne das Monatsprogramm des Musikbunkers sähe es für die Jugendkultur und die diversen Sparten zeitgenössischer (Pop-)Musik in Aachen zappenduster aus.
Der Verein
Angefangen hatte alles in grauer Vorzeit. 1987 baute die Stadt den Bunker zu Proberäumen um und überließ 1992 aus wirtschaftlichen Erwägungen dem von mehreren hundert Mitgliedern gegründeten Verein Musikbunker-Aachen e.V. das dem Bundesvermögensamt gehörende Objekt.
Vereinsmitglieder sind in der Regel die Nutzer der Proberäume und mit den Bunkern Zeppelinstraße und Junkerstraße läuft bis heute die damalige Zielsetzung – Musik zu fördern, proben, lernen, Konzerte spielen, aufnehmen, organisieren – ziemlich reibungslos. Der Gemeinschaftsgedanke steht bis heute im Vordergrund. 1994 erfolgte der Umbau zu einem zusätzlichen Veranstaltungsraum.
Unter dem damaligen Vereinsvorsitzenden Friedel Gersmann begannen auch etablierte internationale Acts Aachen einen Besuch abzustatten. Von Anfang an legte man Wert auf eine stilistische Bandbreite – von Ralph Towner oder Fred Frith über die Toasters bis zu UK Subs, also Jazz, Indie-Avantgarde, Ska oder Punkrock.
Aktuelle politische Situation
Bunkermauern sind dick und lassen keine Schallemission nach außen. Aber an- und abströmendes Publikum schon. 2013 klagte eine Nachbarin in der Rehmannstraße, die als Sackgasse bis vor die Tür des Bunkers führt.
Der Fall ging vor das Verwaltungsgericht Aachen und folgend vor das Oberlandesgericht Münster und ist noch nicht abgeschlossen. Die Stadt Aachen unterstützt den Bunker als eine wichtige Kultureinrichtung.
Sie hat ein umfangreiches Gutachten erstellt, das eine dauerhafte Lösung des Anwohnerproblems vorschlägt, zum Beispiel mit einer Schallschutzmauer, die vom Eingang des Bunkers bis in den Park gebaut werden soll.
Gleichzeitig ist der Ankauf des Bunkers durch Vermittlung der Stadt beschlossene Sache.
Zwischen Booking-Agentur und Objektverwaltung
Sechs Personen arbeiten im Büro des Vereins in Teil-und Vollzeit. Mit Facility Management, Gastronomie, Security und Veranstaltungstechnik sind es etwa dreißig Arbeitsstellen.
Die Aufgaben sind vielfältig – Verwaltung und Betreuung der Gebäude, Proberaumbetreuung und -vermietung, Booking des Veranstaltungsprogramms, die Durchführung der Veranstaltung, Workshops, Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung anderer gemeinnütziger Initiativen, Promotion, externe Aufträge zur Veranstaltungsdurchführung, in diesem Jahr zum Beispiel erstmalig beim Stadtfest September Special.
Welches Programm funktioniert am besten im Musikbunker? Lars Templin, seit 2008 Geschäftsführer: „Das ist immer eine Momentaufnahme. Wir haben öfter die Situation, dass eine Band vor überschaubarem Publikum im Bunker auftritt und im nächsten Jahr spielen diese Bands dann bereits die größeren Hallen, zum Beispiel Trailerpark, Sleaford Mods oder MoTrip.“
Nicht zufrieden ist man im Bunker – und da steht man in einer Reihe mit dem Theater Aachen oder auch dem Ludwig Forum – mit dem Aachener Publikum und hier vor allen Dingen mit den mehr als 50.000 Studierenden, die vor allem die RWTH und die Fachhochschule durchs Studium führen.
Vergleichbare Unistädte haben hier ein wesentlich interessierteres Publikum. Man gewinnt den Eindruck, dass der durchschnittliche Student ein kulturferner Muffel ist. Die Grenznähe zu Belgien und den Niederlanden erschwert eine bessere Besucherfrequenz zusätzlich.
Freikonzerte für Neugierige
Im Fokus hat der Musikbunker im Oktober die Studierenden zum Wintersemester. Eine neue Reihe namens „Komma vom Sofa“ mit einem Gratiskonzert pro Monat soll die Neugierde auf den Ort und das Veranstaltungsprogramm wecken.
„Wir möchten jeden Monat eine Band, die neu und toll ist, bei freiem Eintritt vorstellen“, erzählt Templin. „Im Oktober ist das Carnival Youth aus Litauen, sie haben 2015 den Nachwuchspreis beim Eurosonic gewonnen und die NME Club Night in London. Auf den großen Festivals wie Sziget in Ungarn oder The Great Escape in England haben sie auch gespielt.“
Im November gibt der junge Düsseldorfer Komponist und Produzent elektronischer Musik, Orson Hentschel, ein Konzert. Zu seinen Einflüssen gehört auch die klassische Minimal Music, die er in seine düstere elektronische Musik mit aufnimmt.
Und im Dezember wird’s laut mit klassischem Band-Instrumentarium; Sauropod aus Norwegen spielen tanzbaren Grunge-Rock, wer sich hier manchmal an die Pixies erinnert fühlt, liegt nicht ganz falsch.
Lars Templin: „Ein Clubkonzert ist einfach ein wahnsinnig tolles Erlebnis. Es ist viel intimer als die großen Shows in den Hallen, die oft nur noch durch die Übertragung auf riesige Leinwände, einen richtigen Blick auf die Bühnenshow vermitteln können. Im Bunker kommt man den Bands richtig nahe und die direkte Nähe zum Publikum überträgt sich meistens auch mit positiver Energie auf die Bands.“
Die Zukunft
Mit 120 Proberäumen beherbergt der Musikbunker auch einen Großteil der Aachener Musikszene. Von jungen aufstrebenden Bands bis zu den älteren Semestern, die in ihrem Proberaum bei einem Bierchen gerne zu einem Jam zusammenkommen, reicht die Palette. Zu den Konzerten kommen die vielen Clubnächte – den Begriff „Party“ findet Lars Templin unpassend, da der Bunker-Anspruch ist, vor allem DJs eine Plattform zu bieten, die eigene Produktionen einspielen und deutlich mehr als nur Plattenaufleger darstellen.
Zumal die elektronische Musik in den letzten 20 Jahren meist mehr kreatives Potential bewiesen hat, als das herkömmliche klassische Band-Konstrukt. Letztlich ist der Musikbunker eine der wenigen kulturellen Institutionen, die über Aachen hinaus wahrgenommen werden.
Für die Zukunft wünscht Templin sich, dass die Gemeinschaft, die der Musikbunker ist, auch ein Projekt bleibt, in das sich neue Leute einbringen, die das Objekt fortentwickeln und in die Zukunft führen. \
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