Von Katja Laska und Kira Wirtz
Heute würde man sagen, der Bend gehört zu Aachen. So wie Dom und Antoniusstraße. Doch die Kirmes stand nicht immer auf dem Platz am Westbahnhof. Bis zum heutigen „Bendplatz“ war es eine lange Reise. Besonders für die Schausteller. 2019 soll sich die Fläche um 8.000 Quadratmeter verkleinern, denn der Süßwarenunternehmer Lindt & Sprüngli – ein wichtiger Arbeitgeber in Aachen – braucht dafür Platz. Da es sonst wenig freie innerstädtische Flächen gibt, muss der Bend herhalten.
Autoscooter, Schiffschaukel oder Freefalltower. Zweimal im Jahr holen sich Aachener und Menschen aus der Region einen Adrenalinkick auf dem Bend. Danach gibt’s noch Zuckerwatte, Reibekuchen oder einen kandierten Apfel. Am letzten Abend wird jedes Mal ein Feuerwerk gezündet. Aus dem Aachener Stadtbild ist das Treiben auf dem Bendplatz heute nicht mehr wegzudenken.
Das war nicht immer so. Zwar drehen die Fahrgeschäfte schon seit Jahrhunderten ihre Runden in Aachen, anfänglich aber noch am Dom. Aus dem 13. und 14. Jahrhundert stammen ersten Belege, dass fahrendes Volk Abgaben an die Kirche leistete, um seine Buden aufstellen zu dürfen. Die Pilger sollten schließlich gebührend empfangen und unterhalten werden. Rund um Dom wurde es aber irgendwann zu laut und zu dreckig – schließlich waren die damaligen Schausteller noch mit Pferd und Wagen unterwegs. Das Volksfest zog weiter durch die Stadt. Mal stand man an der heutigen Komphausbadstraße, am Seilgraben oder am Blücherplatz, wo auch heute noch der Circus Roncalli gerne Halt macht. Doch kein Ort schien optimal. Weitere Plätze im Laufe der Zeit: Panneschopp an der Ecke Stolberger Straße/Elsaßstraße und der Pontwall. Auch wenn die Beschwerden immer lauter wurden, die Stadt wollte keinesfalls auf die Unterhaltung verzichten. Also ging die Suche weiter.
Rückblick
Am 11. März 1927 gab es eine geheime Sitzung der Stadtverordnetenversammlung. Bei dieser stellte der zuständige Dezernent Kohnen den neuen Plan vor: Ein neuer Ort zwischen Süsterfeld, Schwarzbachstraße (heute Henricistraße) und Langenbenden (heute Kühlwetterstraße) könnte der perfekte Platz sein. Vorgeschlagen, für gut befunden, abgesegnet. Das, was bisher als Viehwiese diente, sollte das neue Zuhause des „Aachener Bend“ – heißt übrigens auch Wiese – werden.
Bereits im selben Jahr eröffnete der „Aachener Bend“, erstmalig auch unter diesem Namen, vom 14. bis 27. August seine Pforten. Zwischen Verabschiedung des Plans und der Eröffnung musste noch einiges organisiert werden: Wo sollten die Eingänge sein und wo die Kassenhäuschen platziert werden, an denen die Besucher ihre zehn Pfennig Eintritt zahlten? Was ist mit Toilettenwagen, Strom und Wasser? Betonpflöcke und eine Umzäunung mussten her. Ein knapper Zeitplan für ein 40.000 Quadratmeter großes Gelände, das bisher nur als Viehwiese diente. Der Ausbau kostete 256.000 Mark. Die Stadt stellte 119.000 Mark zur Verfügung.
1929 gab es eine landwirtschaftliche Ausstellung, bei der die Dienstgebäude, Toiletten und Tore beschädigt wurden. Das alles kostete die Stadt eine Menge Geld. In der Zeit des Nationalsozialismus verschwand das bunte Rummeltreiben. Vor dem Hintergrund des Krieges diente der Platz als „Aufmarschstelle“ für das Militär. So wie die andere Teile der Stadt, bliebt auch der Bendplatz von der Bombardierung nicht verschont. 1949 ging es nach dem Wiederaufbau für den „Aachener Bend“ wieder weiter, ein täglicher Großmarkt fand ebenfalls eine Zeit lang statt.
Stand der Dinge
Von 1987 bis 2013 traf man sich auf dem Bendplatz, um über die „Euregio Wirtschaftsschau“ zu laufen. Auch heute finden im Schnitt zwei Messen pro Jahr statt. Der Platz wird ebenfalls in der Vorweihnachtszeit als Parkfläche genutzt, zahlreiche Fern- und Reisebusse machen hier Station. Und neben Messen und Kirmes verweilen jährlich auch zwei Zirkusse auf dem Bendplatz. Zwar gehört der Platz immer noch der Stadt Aachen, er wird aber seit 2007 vom Eurogress verwaltet. „Der Bend ist als Platz einfach optimal“, sagt Marcus Schöning vom Eurogress.
„Der Platz ist funktionell: Es gibt Eingänge, Toiletten und eine geregelte Stromversorgung.“ Im letzten Jahr fand eine Umfrage statt, die ergab, dass vor allem Aachener den Bend besonders deshalb so schätzen, da er leicht erreichbar ist und im Innenstadtgebiet liegt. „Der Bend gehört zu Aachen“, war der Tenor. Daher waren nicht alle glücklich, als sich die Stadt Ende 2017 entschied, eine Fläche von 8.000 Quadratmetern an den Süßwarenunternehmer Lindt & Sprüngli abzutreten, der sich vergrößern und mehr Arbeitsplätze schaffen möchte. Die beliebte Kirmes soll dadurch nicht eingeschränkt werden. Fakt ist allerdings, dass sich der Bend verkleinern muss. Auch wenn es sich bei der Fläche, die an Lindt & Sprüngli verkauft wurde, nur um einen Schotterbereich handelt, wird es dadurch eng für die Schausteller, die mit ihren Wohnwagen künftig auf der asphaltierten Fläche kampieren müssen, auf der sonst nur die Fahrbetriebe aufgestellt wurden. „Viele Beschicker wird es ab dem Frühjahrsbend 2020 treffen, wenn wir uns erstmals verkleinern müssen“, weiß Schöning.
Aber auch so ist der Bend in den letzten Jahren ohnehin schon geschrumpft. Rund um die ehemalige Viehwiese wird gebaut, die Industrie weitet sich aus. Ein Ausweichen auf andere Plätze in der Innenstadt wird zunehmend unmöglich. Ausblick Doch die Stadt verspricht: „Der Bend bleibt den Aachenern erhalten.“ Auch hier wird die Notwendigkeit eines innenstadtnahen Standortes gesehen. Was aber passiert, wenn Lindt nochmals 1.000 Arbeitsplätze mehr verspricht? Oder gar eine andere Firma ihre Zukunft auf dem Bendplatz sieht? Bleibt man dann von Seiten der Stadt standhaft?
Prof. Dr. Manfred Sicking, Dezernent für Wirtschaftsförderung, Soziales und Wohnen der Stadt Aachen gibt sich optimistisch: „Die Stadt Aachen ist froh, dass mit dem von der Politik beschlossenen Teilverkauf des Bendplatzes ein guter Kompromiss gefunden wurde. So wird zum einen dem Unternehmen Lindt & Sprüngli ermöglicht, seine Expansionspläne in Aachen direkt am bisherigen Produktionsstandort umzusetzen, wodurch bis zu circa 1.000 neue Arbeitsplätze in Aachen entstehen können. Zum anderen kann unsere Kirmes, der „Öcher Bend“, trotz alledem auf der verringerten Fläche weiterhin an traditioneller Stelle stattfinden.“ Durch einen Beschluss der Stadt ist der Erhalt des Bendplatzes als Standort für Zirkus und Kirmes für die nächsten Jahrzehnte gesichert. Wenn auch auf eingeschränkter Fläche. \
Am Rande
Das Gelände von Lindt & Sprüngli grenzt direkt an den Bendplatz. Auch wenn es sich bei der nun verkauften Fläche nur um einen Schotterbereich im hinteren Bereich des Bendplatzes handelt, sieht man, dass 8.000 Quadratmeter eine deutliche Menge sind. Immerhin gehen 20 Prozent der Gesamtfläche verloren. Der Besucher wird das aber erst im Frühjahr 2020 beim Bendbesuch wahrnehmen. \
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