Von Kira Wirtz
Am 7. Januar 2015, dem Tag des Attentats auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“, erschien Michel Houellebecqs „Unterwerfung“. Einer der kontroversesten Romane der letzten Jahre. Und das Stück der Stunde. Bereits einige Theater nahmen es in ihren Spielplan auf. Auch das Theater Aachen änderte kurzfristig seinen Spielplan, um das Stück, das eigentlich für die nächste Spielzeit geplant war, als interessanten Beitrag vor den Wahlen im September auf die Bühne zu bringen.
Frankreich im Jahr 2022. Das Land steht vor einer elementaren Veränderung. Bei den Wahlen hat sich der charismatische Mohammed Ben Abbes durchgesetzt und wird, so Houellebecqs Fiktion, der erste muslimische Präsident in einem europäischen Land – ein Paradigmenwechsel mit weitreichenden innen- wie außenpolitischen Folgen. Mit Abbes werden sukzessive Scharia, Kopftuch und Polygamie gesellschaftlicher Standard und zeitgleich erlebt das Land durch die unterschiedlichen Gewichtungen einen ungeahnten Aufschwung.
Erzählt wird der Wahlkampf von François, einem Literaturprofessor in den Vierzigern. Er erlebt, wie sich die Gesellschaft und das politische System immer mehr auf einen Bürgerkrieg zubewegen, wie die jüdischen Franzosen ihre Koffer packen, um sich in Sicherheit zu bringen, wie der Front National immer stärker wird und wie sich letztlich die bürgerlichen Parteien mit Ben Abbes zusammenschließen, um den Wahlsieg Marie Le Pens zu verhindern.
Was aber heißt das für François, für Frankreich, für Europa? Was bedeutet das für die Gleichheit der Frau? Was bedeutet das für die Demokratie? Und wie weit sind wir bereit, für die Werte, die uns wichtig sind, einzustehen? Wissen wir eigentlich, wer wir sind? Ewa Teilmans hat den Roman bearbeitet und eine eigene Theaterversion daraus gemacht.
Sie inszeniert den Roman für drei Schauspieler und zwei Chöre, bindet den französischen Schriftsteller Joris-Karl Huysmans, den die Romanfigur François verehrt, ein und gibt den Frauen eine Stimme. „Für mich ist Houellebecqs Roman ein interessantes Statement auf der Bühne, weil er im besten Fall unsere Kontroversen und Standpunkte zu den brisanten Themen wie Werte, Abendland, Islam oder Rassismus stärkt“, erklärt Teilmans. „Und weil Houellebecq ein so gewaltiger Sprachkünstler ist. Eine reiche Sprache ist einfach für die Bühne gemacht.“
Und diese Sprache lässt sie durch die beiden Chöre und die drei Schauspieler Karl Walter Sprungala, Rainer Krause und Elke Borkenstein auf das Publikum wirken. „Houellebecqs Kombination von Satire, Originalität und Anarchie fordert zum Diskurs auf.
Am Ende wird man sich unabdingbar fragen: Wo ist mein Standpunkt? Und vielleicht stellt man fest: Wenn man wirklich weiß, wer man ist, muss man nicht drauf pochen, dass andere sich verändern.“ \
10, 17. +23.6.
„Unterwerfung“
19.30 Uhr, Bühne, Theater Aachen
KlenkesTicket im Kapuziner Karree
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