Von Dirk Tölke
Betrug geht ja gar nicht – außer für den Betrüger. Täuschung und Fake haben einen negativen Beigeschmack, Illusion mit ihrem zauberhaften Flair geht so. Verblüffung löst sich in Wohlgefallen auf, Bluff verärgert. Erstaunen bleibt beständig hinsichtlich der Körpererfahrung, optische Täuschungen nicht intelligent hintergehen zu können, sondern sie nur durch prüfende Bewegungen und Messverfahren als solche zu erkennen. Kunst lebt unter anderem von Verwunderung über die Kunstfertigkeit, solche Wirkungen zu erzeugen, bringt Staunen, Ehrfurcht und Andacht hervor. Dieser positive Kitzel macht Lust, löst sich in Lachmuskelentspannung auf, bereitet Vergnügen. Davon zehrt und damit spielt die Ausstellung im Ludwig Forum.
In Zusammenarbeit mit der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung in München, wo es schon mit 250.000 Besuchern blockbusterte, werden circa 100 Werke Schein und Wirklichkeit in der Kunst prüfbar vorführen, im Ludwig Forum mit stärkerem Fokus auf Gegenwartskunst mit Ergänzungen aus der Sammlung Ludwig und digitale Techniken des Eintauchens (Immersion) in künstlich virtuelle Welten.
Ent-Täuschung
Entlarven muss nicht enttäuschend sein, denn Ent-Täuschung hält auch Aufklärung und Erkenntnisgewinn bereit. In Zeiten der alternativen Fakten, der Verunglimpfung von Wissenschaft und der Verwässerung von Wirklichkeit, um mit Unsicherheit und Angst machtpolitisch punkten zu können, geht es dringlich auch um die Auseinandersetzung mit Täuschung, mit den Mechanismen der Falschmeldung und der Frage der Glaubwürdigkeit. In dieser Ausstellung geht es unverkrampft und spielerisch um solche Erfahrungen und vielleicht die Gewinnung neuer visueller Kompetenz in bilderstromreichen Zeiten visueller Kunststückchen und optischer 3D-Verführungen. Wer hier von einfallsreichen Werken genarrt und gefesselt wird, wird das nicht als übergriffig empfinden, sondern als „Vergnügen und Belehrung“ – der Begriffsklassiker der Kunstgeschichte für Bildwirkung seit dem 16. Jahrhundert. Klassisch auch die ägyptische Scheintür am Beginn einer Spar-Geschichte der Materialimitation und die Legende von Zeuxis und Parrhasios im Malerwettstreit. Zeuxis punktet mit Tauben, die an gemalten Trauben picken, fällt aber auf den gemalten Vorhang von Parrhasios rein, den er beiseite schieben will. Gewitzt Kunstfertiges folgt später noch oft, besonders im 17. Jahrhundert mit der augentäuschenden Trompe-l’œil-Malerei.
Neue Manipulationsmittel
Scheinbar unaufgehängt, an der Wand abgestellt oder mit defektem Glas wirkt da manche moderne Arbeit und spielt mit Erwartung und Fehlersuche. So auch die „echten Menschen“ von Pygmalion mythisch lebendig gewordener Steinfigur bis zu den Kunstharzfiguren von Duane Hanson und 3D-gescannten Figuren. Tim Berresheims per App dreidimensional heraustretende Bildfigur steigert mit „Augmented Reality“ die Raumillusion mit zeitgenössischen, strom-abhängigen Mitteln. Tiefensuggestionen sind die beliebtesten Effekte digitaler Techniken. Von Nervenkitzel über Angsterlebnisse beim Überschreiten eines Brettes über einer virtuellen Häuserschlucht bis zu virtuellen Raumillusionen mit Wirklichkeitsentfremdung kann man Erfahrungen machen und sich über objektive Kriterien unter heutigen Bildwelten Gedanken machen. Noch bietet etwa der Geruch eine Sinnesdifferenz vom Realraum zum Illusionsraum und Gemaltes und Gepixeltes unterscheidet sich vom Lebensraum grundsätzlich durch andere physikalische Reflektionswirkungen und Oberflächenscheinungen. Es kommt auf Differenzierung an und die will als Lebenserfahrung gelernt sein. Hier dürfte das Spaß machen. Bei den Filterblasen-Social-Bots weniger. Da führt die Erregung eher zum Tilt. \
22.2.-30.6.
(Eröffnung 21.2., 19 Uhr)
„Lust der Täuschung.
Von antiker Kunst bis zur Virtual Reality“
Ludwig Forum für Internationale Kunst
Virtual Reality
ist eine computergenerierte Simulation in dreidimensionalen Bildern, die visuelle und (geruchlos) einige körperliche Erfahrungen in Echtzeit imitiert und mit Bewegungen einer Person koordiniert. Ob als Brille, Körperanzug oder holographischer Raum sollen über polysensuelle Kontaktflächen die dynamischen Computerbilder den Menschen möglichst so einbetten (Immersion), dass seine Wahrnehmung den Unterschied zwischen Projektion und Realraum nicht mehr empfindet und die Illusion von Präsenz entsteht. \
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