Eine Welt ohne Fotos?
„Was, wenn die Fotografie nie erfunden worden wäre?“ Klaus Honnef stellt diese Frage in L-Fritz, dem Magazin der Photoszene Köln, das im photokina-Monat September und pünktlich zur Eröffnung der Ausstellung „Doing the Document“ im Museum Ludwig erschien.
Im Zeitalter der digitaler Bilderflut mit ihren inszenierten und manipulierten Fotos wirkt die von den frühen dokumentarisch arbeitenden Fotografen angestrebte wirklichkeitsnahe Abbildung fast rührig, aber wie hätte die Welt sich wohl ohne die analoge Fotografie entwickelt? Am Anfang der Fotografie stand das Bestreben nach der wirklichkeitsgetreuen Abbildung durch die neuen technischen Möglichkeiten - die Fotografie versprach gegenüber der Zeichnung und Malerei eine bisher nicht gekannte „Wahrheit in der Abbildung“. Von besonderer Bedeutung war dabei die dokumentarische Fotografie, die (scheinbar) unverfälscht und ohne Inszenierung die Wirklichkeit festhielt und dabei eine eigene Bildsprache fand.
Deutsche und amerikanische Positionen
Die Ausstellung stellt deutsche und amerikanische Positionen in der verdichteten Kulturlandschaft des Rheinlandes der 1960er bis 1990er Jahre vor: Hier zeigten die ersten Galerien für Fotografie Arbeiten von August Sander (mit einer bisher eher unbekannten Reihe von Gesichtstudien in der Ausstellung vertreten), Karl Blossfeldt (mit seinen mit Akrebie eines Botanikers angelegten Pflanzenabbildungen), aber auch Fotografien der 1960er Jahre von Walker Evans (die großartige Gladiolenserie!), Diane Arbus oder Lee Friedlander und machten sie durch kontinuierliche Vermittlungsarbeit bekannt.
Der „Vater der Photokina“, L. Fritz Gruber, zeigte bereits in den frühen Nachkriegsjahren August Sander in den Photokina-Bilderschauen, während die Kunsthalle Düsseldorf 1976 Fotografien von Walker Evans ausstellte und Klaus Honnef wichtige Gruppenausstellungen dokumentarischer Fotografie im Rheinischen Landesmuseum, Bonn kuratierte. Zugleich übten Bernd und Hilla Becher an der Kunstakademie Düsseldorf großen Einfluss auf nachfolgende Fotografengenerationen aus, wie sich beispielsweise an der stringend durchgezogenen Kiosk-Serie von Tata Ronkholz ablesen lässt.
Dokument und künstlerische Geste
Der dokumentarisch-künstlerische Ansatz wird mit „Doing the Document“ gleichermaßen vorgestellt und befragt. Walker Evans sprach von einem „dokumentarischen Stil“. 1967 zeigte das Museum of Modern Art in New York, Werke von Arbus, Friedlander und Winogrand, alle auch hier vertreten, unter dem Titel „New Documents“. „Wo endet das Dokument und wo beginnt die künstlerische Geste?“ - fragen die Kölner Ausstellungmacher.
Großzügige Schenkung
Die Ausstellung fußt auf einer Schenkung von über zweihundert Werken deutscher und amerikanischer Fotograf*innen - inklusive reichen Quellenmaterials, das im Zuge der Ausstellung erstmals wissenschaftlich erschlossen wird - durch die Kölner Familie Bartenbach. Das Engagement der Sammlerfamilie fokussiert sich nicht auf Einzelbilder, sondern auf vielseitige Bestände einzelner, international bekannter Künstler *innen, die sich in umfangreichen Werkserien aufzeigen.
„Doing the Document“ präsentiert nicht nur eine herausragende Privatsammlung, die vom Wohnzimmer der Familie Bartenbach nun in das Museum Ludwig übergeben wurde und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, sie erzählt auch die Geschichte der Fotografie, der Entwicklung individueller, künstlerischer Stile und der Wirkung von Bildern. Denn unsere Welt wäre sicher eine andere, wäre die Fotografie nie erfunden worden und hätten diese Fotografinnen und Fotografen nicht unser Bildgedächtnis mitgeprägt.
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bis 6.1.2019
Doing the Document - Fotografien von Diane Arbus bis Piet Zwart. Die Schenkung Bartenbach
Museum Ludwig
Heinrich-Böll-Platz, 50667 Köln
Es erscheint ein Katalog im Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, in deutscher und englischer Sprache, mit Beiträgen von Yilmaz Dziewior, Barbara Engelbach, Anne Ganteführer - Trier, Miriam Halwani und einem Gespräch mit Ursula und Kurt Bartenbach. 24 x 30 cm, 160 Seiten, ca. 240 Abbildungen, Buchhandelspreis: 29.80 Euro, Museumspreis: 25 Euro
Foto: Belinda Petri „Doing the Document - Fotografien von Diane Arbus bis Piet Zwart. Die Schenkung Bartenbach, Museum Ludwig“
Museum Ludwig
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