Rund die Hälfte der angestellten Menschen in Deutschland verbringt mehr als acht Stunden am Tag im Büro – meist ein nüchterner Ort mit Schreibtisch und Aktenordnern. Eher ungewöhnlich als Ausstellungsraum für moderne Kunst, die man eher im Museum oder einer Galerie verortet.
Erworben wurden die Kunstwerke von Anfang an jedoch nicht zur „Dekoration“ der Landesbehörden, sondern als Förderinstrument. Beschlossen wurde der Aufbau einer Fördersammlung des Landes Nordrhein-Westfalen am 27. Oktober. Ein Aquarell des von den Nazis verfolgten Künstlers Karl Schwesig mit dem Titel „Schildkröte“ war der erste Ankauf, im ersten Jahr wurden bereits 191 Kunstwerke gekauft und damit 125 Künstler gefördert.
In den letzten 70 Jahren hat sich aus einer reinen Verwaltung von „Kunstgütern“, wie die Kunstwerke im Inventar genannt werden, das Kunsthaus NRW zum aktiven Ort der Förderung und Dokumentation von herausragender zeitgenössischer Kunst entwickelt, das nun das Jubiläumsjahr mit Ausstellung, Tagung und Sammlungskatalog fulminant einläutet. Kunsthaus-Leiter Marcel Schumacher und sein Team bespielen für die Ausstellung 26 Räume in der ehemaligen Reichsabtei.
Dabei wird einerseits der Wandel der -Bürowelt vom mittelalterlichen Kontor (das Kloster als Hort der Bildung und -Bürokratie!) über das Großraumbüro bis zum „Home office“ dokumentiert – was auch Christoph Bartmann Zelle in seinem Katalogbeitrag „Großraum, Home-Office – Gestalt und Ideologie des Büros im ewigen Wandel“ herrlich informativ auffächert – und andererseits auch die Auswahl an Kunstwerken in den letzten 70 Jahren quer durch alle politischen Schattierungen der jeweiligen Landesregierung aufgezeigt.
In frischer Inszenierung kann man sich nun an der „Liegenden Kuh“ von Ewald Mataré (mit deutlichen Liebkosungsspuren auf der Patina) ebenso erfreuen wie an den Videos „MASTERCAT“ von Fabian Heitzhausen, an Christian Rohlfs „Anemonen“ von 1924 (Stillleben gehen immer!) und der Tragetasche mit den legendären „7000 Eichen“ von Joseph Beuys (die Abteilung „Kunst wird politisch 1968-1978“).
Und natürlich sagt die Auswahl der Kunstwerke, die aus der Artothek des Kunsthaus NRW in die Landesbehörden gingen, auch viel über die jeweilige Zeit und ihre politische Grundstimmung aus. Zeig mir die Kunstwerke in deinem Büro und ich sag Dir, zu welcher Partei Du gehörst … Überraschungen nicht ausgeschlossen. \ bep
bis 28.4.2019
„büro komplex – Die Kunst der Artothek im politischen Raum“
Kunsthaus NRW
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