Von Dirk Tölke
Der zweite Bestandskatalog ist zur Ausstellung erschienen, die nebst einigen Werken aus früheren Jahrhunderten im wesentlichen chronologisch vom Ende des 19. Jahrhunderts bis heute durch den Stellwandparcour führt und deutsche, belgische, niederländische und französische Künstler der Moderne zeigt.
Natürlich ist das zunächst auch ein Schnelldurchgang durch die künstlerische Entwicklung vor allem der Moderne, ihre Schwerpunkte und wechselnden Formwelten, in den vor allem die malerischen Strukturen, weniger die Themen wechseln. Flächenfeine Sitten und Moralbilder in Renaissancerealismus, psychologisierend bewegter Barock, agitativ kultivierter Klassizismus, Alltag entdeckendes 19. Jahrhundert – flaumig schwülstig als Salonmalerei bis flüchtig eindrücklich als Lichtmalerei.
Dann wird’s formal, als luftig zerstiebender Pointilismus, als flächengrafischer Konstruktivismus. Formzerlegung, Farbdynamisierung, Geometrisierung, lineargrafische Wiedergewinnung des Figurativen, informell spontaner Gestus, objekthafte Gesellschaftsrelevanz, Collagekombinatorik ohne Ende, fotografische Alltagsbanalität, Zeichenkryptik, Ichperspektiven …
Themenräume
Dennoch scheinen die ersten Flure sich ohne Zeigefinger stark mit dem Frauenbild in der Kunst zu befassen. Interessant dabei ein vier von acht Gemälde eines Zyklus von weiblichen Heiligen zeigende Bildergruppe von Lambert Lombard um 1547/48, die wehrhafte und duldende Frauen zeigt. Gegen Ende befasst sich ein Raum mit der regional einflussreichen Industriewelt und gibt nur bis 31. März dem jungen Gaëtane Verbruggen mit seinen nächtlich verschatteten Miniaturgemälden von brachen Lost Places-Räumen eine verdiente Chance.
Im Keller dann sind Plastiken aus verschiedenen Epochen aufgereiht. Ohne großes Arrangieren sind die Dinge der stattfindenden Diskussion vor den Objekten dargeboten. Viele Namen sind in Deutschland nicht so geläufig. Die belgische Kunst, im 19. Jahrhundert (Ensor) durchaus wirkungsvoll, wird leider nur mit den Klischee gewordenen Feldern Surrealismus (Magritte, Delvaux) und Comic-Kunst intensiver wahrgenommen. Die allerdings ist in einem speziellen Flur mit Vorskizzen von Hergé etc. in ihrem zeichnerischen Ursprung und ihrer sich entwickelnden Schnitttechnik im Seitenarrangement gut nachzuvollziehen.
Da ist schon tolles flämisch, frankophiles dabei, vor allem anfangs der Gründung Belgiens 1830. Vorimpressionisten wie Boudin, Nachimpressionisten wie Émile Claus, wenig bekanntes Malerisches von Le Corbusier oder Jean Hélion. Durchaus ein früher Picasso, manches aus der Luzerner Verkaufsaktion der Nazis an entarteter Kunst erworbenes, ein ungewöhnlich flächengrafischer Chagall, zahlreiche Raoul Ubacs, Einflüsse von Cobra und Riopelle. Für jeden Stilgeschmack ist was dabei, im bald wieder tierisch belebten, gut angenommenen Park La Boverie, durch eine neue Brücke vom Calatrava-Bahnhof stracks zu erreichen. \
bis 18.8.
„Liège. Chefs-d´Œuvre.“
La Boverie, Lüttich
Die Sammlung
Das neoklassizistische Lütticher Musée des Beaux-Arts, 1905 zur Weltausstellung eingeweiht, hat die im 18. Jahrhundert begonnenen kommunalen Sammlungen 1952 durch Grafik erweitert und zum Museum für wallonische Kunst vereint, 1981 nach Abriss des alten Museums in einem Betonneubau. 1988-93 zeigt das MAMAC im Palais Moderne und Zeitgenössisches. Seit 2014 im erweiterten Bau wieder vereint, gewinnt die Ausstellungspraxis durch Ausleih-Kontakte zum Louvre. Tausende Grafiken harren noch der Wiedersichtbarmachung. \
WEITEREMPFEHLEN