Von Sebastian Dreher
Das Senckenberg Museum in Frankfurt am Main ist für kleine Kinder ein eher ungewöhnlicher Ort zum Spielen – hohe Hallen, hinter jeder Ecke lauern furchterregende Dinosaurier, Mammuts und alle möglichen ausgestopften Raubtiere. „In dem Naturmuseum hat mein Vater als Paläontologe gearbeitet. Für mich war das ein ganz natürlicher Spielplatz“, erinnert sich Brigitte Franzen, während sie es sich auf einem der Sofas von Matti Braun gemütlich macht – der letzte von Irene Ludwig vor ihrem Tod getätigte Ankauf für die Sammlung des Ludwig Forum.
Forschung, Didaktik, das Museale und zeitgenössische Kunst wurden der gebürtigen Freiburgerin schon früh nahe gebracht. Der Vater Wissenschaftler, die Mutter Lehrerin, ein Großvater Maler, der andere Fotograf. Nach der Schule ging es 1986 zum Studium der Kunstgeschichte erst mal nach Karlsruhe. Zwei Semester später zog sie nach Marburg, belegte unter anderem Kurse in Museologie. Zwei Auslandssemester brachten sie nach Wien und zum Museumspädagogischen Dienst der österreichischen Bundesmuseen. Seither arbeitete sie an Universitäten und Kunstinstitutionen und hat Ausstellungen organisiert, sowie zahlreiche Texte und Bücher veröffentlicht; mit 27 Jahren das erste Buch über eine Bauhaus-Siedlung von 1929.
2005 zog sie mit Mann und Sohn nach Münster, um dort als Kuratorin für Gegenwartskunst im Landesmuseum zusammen mit dem Kurator Kasper König die Skulptur Projekte Münster 2007 zu verantworten – die Referenzausstellung für Kunst im öffentlichen Raum überhaupt. Es kamen 600.000 Besucher.
Spätestens mit dieser Ausstellung hatte sich Franzens berufliches Schaffen ganz auf die Museums- und Ausstellungsarbeit fokussiert. Der Schritt, die Leitung eines Hauses zu übernehmen, war da nur folgerichtig. Am Ludwig Forum hat sie besonders gereizt, dass Aachen in Bezug auf – moderne Kunst zu dem Zeitpunkt „fast von der Landkarte verschwunden war“, wie sie sagt. Natürlich kannte sie das Museum schon vorher, hatte das LuFo besucht und dabei auch gefilmt. In Aachen angekommen, entdeckte sie die fast 20 Jahre alten Aufnahmen wieder. Und staunte nicht schlecht: „Man sah Wolfgang Becker, genau an dem Schreibtisch, an dem ich später sitzen sollte.“
Während Franzens Zeit als Direktorin wurden viele wichtige Ausstellungen -gezeigt, etwa „Hyperreal. Kunst und Amerika um 1970“ und „Nie wieder störungsfrei“. Darüber hinaus wurde der Garten und das Haus erneuert. Trotz-dem hat sie viel Kritik einstecken müssen. „Ich habe dieses LuFo-Bashing nie verstanden“, sagt sie, „vor allem weil das Haus international gut dasteht.“ Dazu musste sie ständig kämpfen, dass das LuFo nicht zu einer „Mehrzweckhalle“ verkommt. „Das LuFo ist kein x-beliebiges Bürgerhaus, wo vom Flohmarkt bis zur Tanzgruppe alles stattfindet. Basis und Verpflichtung ist vielmehr die internationale Kunst aus der Sammlung Ludwig.“ Franzen selbst hat erlebt, wie Leute auf der Suche nach Stühlen über eine marmorne Bodenskulptur von Richard Long getrampelt sind. Bei anderer Gelegenheit wollte ein Cocktailmixer seine Kunststücke unmittelbar vor einem wertvollen Roy Lichtenstein-Werk vorführen.
„Es gibt gegenüber der Kunst eine gewisse Respektlosigkeit – vielleicht aufgrund der wachsenden Mediatisierung und Digitalisierung und weil man sie derzeit vor allem als Spielfeld der Reichen sieht“, sagt sie. Sie verstehe das allerdings als Herausforderung, die Kunstwerke, in ihrer Einzigartigkeit, den Menschen nahezubringen. „Und ich hoffe, dass das meinem Nachfolger auch gut gelingen wird.“
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