Von Sebastian Dreher
Aachen sei eine „Stadt der Griesgräme“, die das „Wasser der Unterwelt trinken.“ Friedrich dem Großen scheint der Kuraufenthalt in Aachen nicht besonders gefallen zu haben – zumindest wenn man diesen Zeilen glaubt, die der Alte Fritz an den Dichterfürsten Voltaire schickte.
Viele andere Persönlichkeiten hielten das Leben in Aachen für weniger langweilig, darunter auch legendäre Frauenhelden wie Casanova, der dreimal in Aachen weilte.
Amüsement auf lockerem Pflaster
„Aachen war im 18. und 19. Jahrhundert ein recht lockeres Pflaster“, sagt Stadtführerin Ulla Borsch. „Zum exklusiven Kuren gehörte auch das Amüsement, sowohl das Glücksspiel im Casino, als auch der Bordellbesuch.“
Einschlägige Etablissements gab es im historischen Aachen an derselben Stelle wie heute, der Antoniusstraße. „In historischen Stadtplänen findet man noch den alten Namen Hurengasse.“
Liebe auf den ersten Blick
Geboren und aufgewachsen ist Ulla Borsch in Bendorf bei Koblenz. 1981 folgte sie ihrem Mann, der an der RWTH studierte.
Von Aachen war sie sofort begeistert. „Es war Liebe auf den ersten Blick“, beschreibt sie ihren ersten Eindruck von der Domstadt.
Auf der einen Seite die lange geschichtliche Tradition, auf der anderen Seite die internationale Atmosphäre einer Hochschulstadt direkt an der Grenze zu zwei anderen Ländern – für ihre spätere Berufung als Stadtführerin waren das gute Voraussetzungen.
Kahler Lousberg
Zu den Themen ihrer vielen eigens konzipierten Führungen – unter anderem auch „Aachen häppchenweise“ – gehört auch der Lousberg. „Der war früher völlig kahl und wurde als Schafstrift genutzt.“
Und das ganz bewusst – ein bewaldeter Hügel hätte Angreifern zu viel Rückzugsmöglichkeiten geboten. „Unter Napoleon wurde der Lousberg als Parkanlage konzipiert.“
Vom Tanzlokal zur Akropolis
In dieser Zeit entstand auf halber Höhe das Ausflugs- und Tanzlokal Belvedere. Nach einem Brand wurde es wieder aufgebaut, die finale Zerstörung folgte im Zweiten Weltkrieg.
Übrig geblieben ist das, was man heute als „Aachener Akropolis“ kennt. Etwas neben dem Säulengelände befindet sich der Kerstensche Pavillon.
„Der stand ursprünglich am Annuntiatenbach“, sagt Borsch. „1906 sollte er abgerissen werden, wurde dann jedoch Stein für Stein hierher gebracht.“ Heute wird er von der Aachener Lousberg-Gesellschaft genutzt, deren Mitbegründerin Borsch ist.
Tor für die deutsche Industrialisierung
Besonders gerne arbeitet sie mit jungen Menschen zusammen. „Zu meiner Pontviertelführung melden sich auch viele Studenten an.“
Dass die massive Industrieansiedlung im 19. Jahrhundert – 1834 gab es in Aachen 79 Dampfmaschinen, in Köln nur vier – die Gründung der Aachener Hochschule begünstigt hat und als Tor für die die Industrialisierung in Deutschland gesehen werden kann, sei den wenigsten Studis bekannt.
„Ich beende meine Tour vorm SuperC, denn hier begegnen sich die Vergangenheit und die Zukunft der Stadt. Das ist vielen der jungen Leute gar nicht klar.“
Interessierte Zuhörer
Aha-Erlebnisse dieser Art sind das, was Borsch an ihrer Arbeit besonders liebt. Und die beobachtet sie sehr ausgeprägt bei ihrer Kindertour.
Die bietet sie schon viele Jahre an – bei ihrer Premiere war sie die erste ihrer Art. „Kinder zeigen ja sehr deutlich, wie sie etwas finden“, sagt Borsch. „Zu sehen, wie aus anfangs gelangweilten Schulklassen interessierte Zuhörer werden, ist einfach toll.“\
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