„Das Lernen ist mir als Kind ziemlich schwer gefallen.“ Sibylle Keupen trägt einen blauen Blazer, silberne Ohrringe und Halskette zu Nike-Turnschuhen und strahlt sympathisch hinter ihrer Brille hervor. „Ohne die Schwestern wäre ich nicht da, wo ich heute bin.“ Die Ursulinerinnen des Internats in Bad Neuenahr-Ahrweiler haben das etwas unmotivierte Mädchen erfolgreich zur Gymnasialreife gebracht.
Heute erinnert sich die in Mayen in der Eifel geborene Keupen gerne an diese Zeit, vor allem an die Schwestern mit ihrer strengen und gleichzeitig liebevollen Art. An Augustina und Lucia, die der Heranwachsenden mit Regeln einen klaren Rahmen vorgaben – Sicherheit in einer verwirrenden Lebensphase. Sechs Jahre blieb sie unter den Fittichen der Schwestern.
Erfahrungen gesammelt
Nach dem Abitur sollte Keupen eigentlich eine Ausbildung zur Hotelfachfrau beginnen. „Ich komme aus einer Familie von Gastronomen, habe schon früh mitgeholfen“, sagt die Anfang-Fünfzigjährige. Doch im letzten Moment verließ Keupen den vorgeplanten Weg. „Wer weiß, vielleicht stünde ich sonst heute hinter der Theke.“
In der katholischen Jugendarbeit hatte sie Erfahrungen gesammelt, etwa in der Organisation von Ferienfreizeiten. Darüber hinaus war sie in der Frauen- und Friedensbewegung der frühen 80er aktiv: Kalter Krieg, Abrüstung, Nato-Doppelbeschluss.
Zum Studium der Pädagogik ging sie nach Bonn und Trier. Allerdings war die Uni eher berufsbegleitend, denn sie arbeitete nebenher viel ehrenamtlich und konzipierte politische Aktionen. Während der Recherche zu ihrer Abschlussarbeit „Feministische Bildungsarbeit mit erwerbslosen Frauen“ 1987 baute sie sich ein Netzwerk auf.
Ein schweres Erbe
„In meiner Frauen-Seilschaft kamen einige aus Aachen“, sagt Keupen. „Über diese bin ich Anfang der 90er ins Grenzgebiet gekommen.“ Sie startete beim Bund der Deutschen Katholischen Jugend als Referentin für unter anderem Öffentlichkeitsarbeit.
1994 wurde sie schließlich Geschäftsführerin der Bleiberger Fabrik, einer ehemaligen Spinnölfabrik. Dort musste sie ein schweres Erbe antreten. Der Jesuitenpater Erich Lennartz hatte die „Werkwochen“ etabliert. Diese musisch-kreativen Kurse für Kinder und Jugendliche sind bis heute ein Kernstück der Einrichtung. Viele der Ehrenamtlichen waren der neuen Chefin gegenüber sehr reserviert. „Es hat Zeit gebraucht, bis ich akzeptiert wurde“, erinnert sich Keupen.
Keine Sandkastenfreunde
Und das galt nicht nur für die eingeschworene Gemeinschaft in der Bleiberger Fabrik, sondern auch für Aachen allgemein. „Als Zugezogene hatte ich keine Sandkastenfreunde.“ Ein funktionierendes Netzwerk aufzubauen dauerte lang.
Doch mittlerweile ist der Verein Bleiberger Fabrik aus Aachens Kultur- und Soziallandschaft nicht mehr wegzudenken. Er beschäftigt sieben feste Mitarbeiter, dazu viele Ehrenamtliche, Künstler und Dozenten. Bei großen Kreativprojekten – etwa der Bewerbung von Maastricht als Europäische Kulturhauptstadt – wird die Fabrik mit ins Boot geholt. Kürzlich gab es ein Jubiläum: 50 Jahre Werkwochen. Zur Feier des Tages hat Keupen für kurze Zeit ihre Rolle als Geschäftsführerin verlassen und des kreativ-handwerklichen Ursprungs ihres Hauses gedacht. „Ich habe eigenhändig mit den Teilnehmern genäht.“ \ Sebastian Dreher
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