Vor dem Suermondt-Ludwig-Museum und in der Kutscheneinfahrt war zunächst Geduld gefragt, denn der Andrang war groß – die Vorfreude ebenfalls. Und das Warten hat sich gelohnt: Über 60 Altarstücke, Porträts und Andachtsbilder geben einen tiefen Einblick über diesen – auch für Kunsthistoriker – schwer greifbaren van Cleve. Die Gemälde erzählen Geschichten, beweisen malerische Perfektion, vor allem Genauigkeit und Witz in Details, und sorgen für einen wahren Farbrausch. Und bei allen Fragen, die über das Leben und Arbeiten van Cleves bleiben, diese Ausstellung bringt ihn als sensiblen und humorvollen Beobachter und Chronisten seiner Zeit nahe.
Im Rausch der Farben
Ja, die Farben – in den Gesprächen vieler Besucher geht es immer wieder um die Brillanz, Leuchtkraft und Zusammenstellung. Etwa in dem 1524 fertiggestellten „Triptychon mit der Beweinung Christi“, wo die Farbanordnung Rot, Weiß, Orange die Szene um den Leichnam Jesus auf drei Tafeln kompositorisch zu einem wunderbaren Ganzen werden lässt. Dies ist nicht das einzige Werk, dem man sich eigentlich stundenlang hingeben möchte.
Joos van Cleve Triptychon mit der Beweinung Christi 1524 Frankfurt a.M., Städel Museum (Copyright: U. Edelmann - Städel Museum - ARTOTHEK)
Die Ausstellungsmacher Peter van den Brink und Alice Taatgen präsentieren diese alte Kunst frisch und zugänglich. Es geht um ein Werk, gemacht für Kirchen und Herrenhäuser, und doch steht hier nichts auf dem „Sockel“. Vielmehr lassen die Kuratoren das Publikum an der Begeisterung der Entdeckung dieses Meisters teilhaben. So etwa in der vergleichenden Hängung des Themas „Kirschenmadonna“, wo der Betrachter van Cleves Ausformulierung des Motivs neben der Vorlage von Giampietrinos Original erkunden kann.
Joos van Cleve Die Kirschenmadonna 1525-1530 Aachen, Suermondt-Ludwig-Museum, Dauerleihgabe der Peter und Irene Ludwig Stiftung (Copyright: Anne Gold)
Selbstbewusst und geheimnisvoll
Berührend ist die Wirkung des „Selbstporträts mit Nelke“. Selbstbewusst der Habitus und ein bisschen geheimnisvoll, musternd, sein durchdringender Blick. Die kleine Blume hält er in der völlig entspannten Hand - malerisch genial. Sie deutet auf seine Heirat mit Anna Vydts im Jahr 1519 hin. Unerfüllt bleibt aber leider der Wunsch, das Paar zusammen zu sehen und dem Künstler dadurch nochmals ein Stück näher zu kommen. Üblich, so kann man es in dem Katalog zur Ausstellung lesen, sei die Anfertigung eines Pendants der Frau zu diesen Zeiten gewesen. Doch über ein solches Porträt ist nichts bekannt.
Joos van Cleve, Selbstbildnis um 1519 (Copyright: Madrid, Museo Thyssen-Bornemisza)
Inwieweit der im Titel der Ausstellung als Claim hergestellte Bezug zu Leonardo da Vinci gerechtfertigt ist, damit mögen sich die Kunsthistoriker beschäftigen. Sicher ist, dass Joos van Cleve maßgeblich Einfluss genommen hat auf die Entwicklung der nord-europäischen Malerei. Für den Besucher bietet sich die einmalige Chance, einem Meister zu begegnen – ein lohnenswertes Kunsterlebnis! /// lb
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