Von Kira Wirtz
Im Jahr 1968 kulminierten weltweit politische Unruhen, gesellschaftliche Umwälzungsprozesse und Protestbewegungen der Nachkriegszeit. In 56 Ländern weltweit gab es revolutionäre Bewegungen. Das Ludwig Forum für Internationale Kunst zeigt, wie Künstler mit diesem Thema umgegangen sind. Das Internationale Zeitungsmuseum widmet sich der Darstellung des Medienwandels und der Protestkultur. Der Klenkes blickt ebenfalls zurück auf die Protestbewegung dieser Zeit in Aachen: Wie sah sie aus, die wilde Jugendbewegung rund um bunte Wohnkommunen, freie Liebe und den Grundgedanken, mit einer ordentlichen Portion Hasch den autoritären Strukturen zu trotzen?
Rückblickend muss man sich eingestehen, dass Aachen nicht der Mittelpunkt der revolutionären Bewegung war. Aber es ist auch nicht Nichts passiert. 1968, kurz nach dem legendären Schahbesuch in Berlin, ist in ganz Deutschland der Dutschke und der Teufel los. Die Studenten probten den Aufstand, auch in Aachen. Beispielsweise am 18. Oktober 1968. Feierlich sollte das Wintersemester 68/69 eröffnet werden und auf die etwa 1.100 Neu-Immatrikulierten wartete nicht nur ein abendliches Buffet, sondern auch ein Händedruck von Rektor Herwart Opitz.
Die Ehrensenatoren trugen bei ihrer feierlichen Begrüßung am Nachmittag ihre traditionellen Samttalare – sehr zum Verdruss einiger Studenten, die an dem mittelalterlich anmutenden Erscheinungsbild Anstoß nahmen.
Und so kam es während der Begrüßungsrede des Rektors zu einem Zwischenfall: „Ferner begrüße ich die Vertreter der politischen Parteien …“, spricht Opitz die Ehrengäste an. „… und Frau Holle“, wird er von einem Zwischenrufer unter allgemeinem Gelächter unterbrochen.
Opitz erfasst die Situation, will seine uniinterne Ordnung nicht gefährdet sehen und befiehlt dem Saalschutz die Störung „abzuschalten“. Doch die Studenten sind nicht gewillt, sich einfach so nieder machen zu lassen. Es fliegen Flugblätter mit dem Titel „Beschissen“ und einem Aufruf sich nicht „zu weiteren Disziplinierungen durch professionelle Gurus programmieren“ zu lassen. Der aus 22 Menschen bestehende Sicherheitsdienst hat kaum eine Chance. Gut, dass auch der -Polizeipräsident zu den Ehrengästen zählt und schnell Unterstützung per Funk anfordert. Und so wird die Demonstration mit schlagkräftigen Argumenten nach draußen verlegt und die Aufmüpfigen müssen sich für den Abend geschlagen geben.
Was waren die „68er“?
Genau wie dieses Beispiel ein Sinnbild für eine ganze Zeit ist, ist auch das Jahr 1968 nur ein Fixdatum – es markiert den Höhepunkt einer ganzen Bewegung und gab den Impuls für einige kommende Prozesse. Homosexualität war nicht länger strafbar und es entstanden Gedanken für ein ökologisches Bewusstsein und eine liberale Gesellschaft. Die gesellschaftlichen Umbrüche begannen bereits Ende der 50er-Jahre. Dabei war der Ort, an dem vieles begann, die Universität.
Auch Aachen wurde von der breiten studentischen Protestbewegung erfasst, die sich 1967/68 in der BRD in nahezu allen größeren Städten mit dem Ziel formierte, die „Verkrustungen“ in Politik und Gesellschaft aufzubrechen. Die „68er“, die sich verstärkt in der politischen Verantwortung sahen, forderten von der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit bis zur Bildungsreform eine umfassende -Demokratisierung aller Lebensbereiche.
Heftigen Streit entfachte die Forderung einiger Aachener Studenten, das Alexander-von-Humboldt-Haus in der Pontstraße in Che-Guevara-Haus umzubenennen – was ihnen gelang, indem sie aus einem der Fenster ein Banner mit dem Stern und dem Konterfei Che Guevaras hängten und somit das Haus symbolisch ihrem Idol widmeten.
Auch der Revolutionsgedanke in der Kunst manifestierte sich in Aachen und ging dank Joseph Beuys, der beim „Festival der Neuen Kunst“ mit blutiger Nase ein Kruzifix in die Höhe haltend abgelichtet wurde, durch die internationale Presse. Die Trennung von Kunst und Leben aufzuheben, der aus ihrer Sicht spießigen Nachkriegsgesellschaft Beine zu machen, war das Ziel der Künstler, die 1964 im Aachener Audimax für Aufregung sorgten.
Flashes of the Future
Die Kunst und das Leben der „68er“ abzubilden, hat sich auch Museumsleiter Dr. Andreas Beitin für seine Ausstellung im Ludwig Forum für Internationale Kunst auf die Fahne geschrieben. Nicht lokal, sondern international betrachtet und mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als Schirmherr.
„Flashes of the Future. Die Kunst der 68er oder die Macht der Ohnmächtigen“ versteht sich nicht nur als Kunstausstellung, sondern auch als politisches Statement. Mit der Distanz von 50 Jahre soll ein transdisziplinärer Blick auf das gesamte Schlüsseljahrzehnt geschaffen werden – mit einem kritischen Blick auf die Jahre und dem Anspruch, Parallelen zu heute aufzuzeigen. Nicht nur mit der Ausstellung von Kunstwerken aus dieser Zeit – immerhin umfasst die Sammlung Ludwig eine enorme Menge Werke der Pop Art –, sondern auch mit Ikonografien der Studentenbewegung, Aktionskunst und diskursiven Foren. Außerdem werden zeitgenössische Künstler wie Marcel Odenbach und Rudolf Herz im Rückblick künstlerische Kommentare liefern.
Kurator Andreas Beitin ist sichtlich stolz auf die Ausstellung, die er seit zweieinhalb Jahren zusammen mit Eckhart Gillen plant. Im Mittelpunkt der Ausstellung werden Werke aus der Pop Art-Sammlung des Ehepaares Ludwig stehen. Insgesamt werden rund 200 Kunstwerke aus den Bereichen Malerei, Skulptur, Installation, Fotografie, Zeichnung und Video gezeigt. Den Kurator reizt vor allem, einen Bezug zu heute aufzuzeigen: „Es ist bedauerlich, wie viele Themen aktuell sind. Damals sind die Menschen genau wegen dieser Themen – Rassismus, Krieg, Nuklearwaffen – auf die Straße gegangen. Und mit ihnen ging die Kunst auf die Straße.“
Flashes of the Past
Parallel zur Ausstellung im LuFo zeigt das Internationale Zeitungsmuseum Aachen die Ausstellung „Flashes of the Past“, die ihren Fokus auf die Rolle der Medien in den 60er- und 70er-Jahren legt. Mit seiner Sammlungskompetenz kann das IZM die Ausstellung im Ludwig Forum um die Sicht der Presse auf die Ereignisse der 68er flankieren.
Und dort wird dann auch mit Sicherheit die Aachener Historie wieder aufgegriffen. \
19.4.
Eröffnung: „Flashes of the Future“ – Die Kunst der 68er oder Die Macht der Ohnmächtigen
19 Uhr, Ludwig Forum für Internationale Kunst
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