Der wuchtigen Statur des Schotten Thomas Houseago nimmt man sofort ab, dass er als Bildhauer klotzt und auch noch kleckert, dass er große Massen an Ton, Gips und Holz bewegt, um ihnen als 1972 geborener eine neue zeitgemäße Form zu geben, die der Skulptur eigenständig Ausdruck zu verleihen vermag, möglichst so groß, dass Aliens sie schon vom Weltall aus erkennen und bei ihrer Ankunft den Errungenschaften von Technik und Architektur vorziehen. Als Jemand, der in Zeiten von Arbeiteraufständen und Wirtschaftskrise aufwuchs, hat er weder etwas mit der Leichtigkeit von PopArt am Hut, noch mit klinischem Minimalismus. Mit brachialer Arbeitsgesinnung und einer Formweltprägung, in der Starwarsfiguren plastische Vorbilder darstellen, geht er so roh und ruppig zu Werke, wie die Wirklichkeit, die ihn umgibt. Er vernachlässigt aber weder die Erfahrungen der Nachkriegsmoderne seit Henry Moore noch die Idee der sozialen Plastik von Joseph Beuys, die ihn beeinflusst hat. Zunächst allerdings konnte er mit dessen zufällig in Sammlungen seines Heimatortes Leeds aufbewahrten Relikten nichts anfangen und hat sich lange daran gerieben, dass sich ihm so garnichts bot, das gängigen Vorstellungen von Skulptur und künstlerischer Relevanz entsprach. Bei soviel Nähe zu banalen Formgebungen, erscheint es eine eher ungewöhnliche Vorliebe für Picassos Demoiselle d’Avignon-Radikalität und –Primitivismus zu sein, die im Untergrund wirkt und den Gesängen seiner Ausbildungszeit trotz, dass die Kunst tot sei. Im Künstlergespräch erwies er sich als humorig eloquenter Erklärer seiner Intentionen. Der in London und Amsterdam ausgebildete und im Rheinland orientierte wohnte lange in Belgien, musste dort alles zurücklassen und begann 2003 in Los Angeles neu mit einem Wohnhaus am Rande des Waldes, das knapp dem Waldbrand entging. Existenzielle Erfahrungen, die als Realität bedeuteten, über Tag von einem Gangster erschossen und Nachts von einem Tier gefressen werden zu können. Ganz offensichtlich hat er für die schicke Warenwelt, die sich mit Modernismus umgibt und eine leergeräumte Galerie als künstlerischen Akt feiert, weil dabei irgendwie die Institution thematisiert werde, nur faszinierten Spott über. Er möchte der Bildhauerei neue Bedeutung geben, die jenseits postmoderner Jeff Koons Nettigkeiten liegt. Seine rohe und rudimentäe Formgebung begann krisenverzweifelt mit einem Haufen aus Tonbatzen, der in seiner Formlosigkeit doch Detailreize und eigene Präsenz bot, die ohne Vorbild war. Es folgten gigantische pseudominimalistische Eierbecher, Kettensägenmassaker, Köpfe im deformiertem Darth Vader Duktus und gefährlich anmutende Cyperweltfiguren, die in einer erstaunlichen zeichnerischen Technik entstanden. Die Bauelemente entwarf er auf Papierbahnen am Boden und wulstete die Tonformen direkt auf die grob mit Kohle gezeichneten Linien auf eine dünne Schicht Ton. Die getrocknete folienartige Reliefzeichnung arrangierte er zu figurativen Formen (Octopus figure). Fantasy und Mythos, Kulissenhaftigkeit und Heldentum sowie Monumentalität und Ausgehöhltheit prallen aufeinander. Dreidimensionalität entsteht aus Flächigkeit, Lücken und Rissen und behält einen ungeschönten Modellcharakter, statt gefälliger Ansichtsseiten.
Wird mit ihm eine Gestaltungsinvasion der von Aktionfiguren geprägten Generation eingeläutet, die der Kunstmarkt als erfrischende Abwechslung vom kulturesken Überangebot des spielerisch aalglatten und Neukonventionellen empfindet, wenn solche Marktmechanismuszyklen denn greifen? Zumindest sind die Intentionen jüngerer Generationen am Drücker, die anders geprägt wurden. Angesichts der Dürftigkeit verströmenden Themen Münze, Löffel, Rauchpanel, Tür und Köpfe, Mutter, Schwester und Cyclop, wähnt man Kulturelles fern und Mängel in der praktischen Ausbildung nah, aber es ist wohl auch ein ironisch brachialer Befreiungsschlag von zuviel freudianischen Tiefenpsychologietraumbildern, Anspielungserhabenheit, Theoriegebrabel und Naturform und eine Koexistenz neuer disparater Leitideen, bei der die Aneignung von Traditionen nicht als erduldete Ausbildungsübung, sondern als freiwillig erarbeitete Entdeckung stehen könnte. Das Bedürfnis entsteht mit dem Empfinden einer Lücke. Selbst formt der Mann. Und der hier setzt sich keine Grenzen.
Text: Dirk Tölke
Bis 19.6.
Thomas Houseago – What went down
Museum Abteiberg Mönchengladbach
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