Was hätte Vicki Baum wohl zu den Genderdebatten unserer Tage gesagt beziehungsweise geschrieben? Dass sie sich geäußert hätte, ist stark zu vermuten, schließlich hat sie zu den Machtverhältnissen zwischen den Geschlechtern zeitlebens deutlich Stellung bezogen. Deutlich, klug und, wie es ihre Art war, zudem noch elegant und humorvoll („Trübseligkeit an sich ist noch keine Qualität“).
Die 1888 als Tochter eines jüdischen Regierungsbeamten in Wien geborene Hedwig Baum hat eine gute Bildung genossen: Sie besuchte das Pädagogium und absolvierte am Konservatorium eine fünfjährige Ausbildung zur Harfenistin, darauf folgten Jahre beruflicher Engagements in Symphonieorchestern, zuerst in Wien, später in Darmstadt, Kiel, Hannover, Mannheim.
Eine Laufbahn, die – auch wenn es eine musische war und insofern nicht ganz gegen Weiblichkeitsideale verstieß, und auch wenn eine Tochter aus gutem Hause durchaus gebildet sein durfte – zu dieser Zeit keineswegs einen „selbstverständlichen“ Lebensweg einer „normalen“ Frau darstellte.
Selbstverständlich war es auch nicht, dass eine Frau sich schriftstellerisch betätigte und damit auch noch Geld verdiente. Selbstverständlich war zu dieser Zeit, dass sie Zierde ihres Heims und vor allem ihres Gatten sei: anmutig, gern auch gescheit, aber bitte nicht zu sehr – und schon gar nicht gescheiter als er: „Es enterotisiert nämlich, wenn eine Frau zu klug ist“, wie sie in einer ihrer Kolumnen süffisant bemerkt.
Das sah die selbstbewusste Hedwig durchaus anders. Die es während ihrer ersten Ehe mit einem glücklosen Literaten zwar hinnehmen musste, dass am Ende sie schrieb und er ihre Texte unter seinem Namen verkaufte. Aber sie nahm das eben nicht dauerhaft hin. Sie ließ sich scheiden und machte sich auf ihren eigenen Weg. Der führte zu großen schriftstellerischen Erfolgen, Welterfolgen sogar.
Eine „erstklassige Schriftstellerin zweiter Güte“ nannte sie sich so souverän wie spöttisch, ihr war klar, wo sie von den Gralshütern des Edelliteraturbetriebs trotz aller Erfolge (und vielleicht sogar wegen der Popularität ihrer Werke) einsortiert wurde: in die Schublade „ganz talentiert“, aber doch auch „irgendwie trivial“, eine Art deutschsprachige Pearl S. Buck, nur ohne Nobelpreis.
Baums Talent zur (selbst)ironischen Pointe entfaltet sich besonders in ihren kurzen feuilletonistischen Texten, die sie in zahlreichen deutschen, österreichischen und später amerikanischen Zeitungen und Magazinen veröffentlichte; viele Jahre lang war sie auch als Redakteurin (für den Ullstein Verlag Berlin) tätig.
Sie schrieb über Mode und Musik, über Kindererziehung und Körperpflege – das, was man heute wohl „Lifestyle“ nennen würde – und immer wieder nahm sie solche Themen zum Anlass, (weibliche wie auch männliche) Rollenmodelle zu reflektieren, zu hinterfragen, infrage zu stellen.
Emanzipiert, selbstbewusst, freigeistig und im besten Wortsinne eigensinnig, wie sie selbst war und lebte, hatte sie zugleich einen scharfen Blick und ein feines Gespür dafür, dass ihr eigenes, sehr modernes Rollenverständnis keineswegs den gesellschaftlichen Status quo widerspiegelte – und schon gar nicht der bereits zitierten männlichen Denkweise entsprach, der zufolge Frauen gerade so klug, erfolgreich, tüchtig sein dürfen, wie es die patriarchalische Gesellschaftsordnung zulässt und von Nutzen findet.
Es wundert nicht weiter, dass Baum den Nazis ein Dorn im Auge war und „die seichten amoralischen Sensationsromane der Jüdin Baum-Levy“ verfemt und verboten wurden. 1932 emigrierte sie mit Ehemann und Kindern nach USA, wo sie ihre Karriere höchst erfolgreich fortsetzte.
Die Sammlung „Makkaroni in der Dämmerung“, mit schönster editorischer Sorgfalt besorgt, ist eine gelungene Hommage an die brillante Feuilletonistin Vicki Baum, die Polgar, den Meister der kurzen Form, verehrte - und selbst eine Meisterin war. Ein ganz großes Vergnügen, darin zu lesen. Wäre da nur nicht das gelegentliche Erschrecken darüber, wie viele ihrer Feuilletons auch heute noch ins Schwarze der (Geschlechter-)Verhältnisse treffen.
Vicki Baum: „Makkaroni in der Dämmerung“
Herausgegeben von Veronika Hofeneder.
Edition ATelier WIen 2018,
319 Seiten, 25 Euro
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