Der US-amerikanische Erfolgsautor hat eine große Fangemeinde in Deutschland. Ein Grund, dass sein neuer Roman „Das Licht“ hier schneller veröffentlicht wurde als in den USA. Dabei ist Boyle ein Erzähler spezifisch US-amerikanischer Themen, die zu unterschiedlichen Zeiten die dortige Gesellschaft bewegten. Zur Meisterschaft brachten ihn vor allem seine (halb)fiktiven Romane zu Personen des zeitgenössischen Lebens. Bereits in seinem ersten Roman „Water Music“ (1982) nimmt er die Figur des schottischen Afrika-Entdeckers Mungo Park in den Blick, „Willkommen in Wellville“, ein amüsant-ironisches Update von Manns „Der Zauberberg“, schildert das Leben in einem Wellness-Hotel des Cornflake-Erfinders John Harvey Kellog und „Dr. Sex“ (2005) und „Die Frauen“ (2009) bezieht sich auf die Lebensgeschichte von Sexualforscher Alfred Charles Kinsey beziehungsweise Stararchitekt Frank Lloyd Wright.
Für „Das Licht“ ist jetzt der LSD-Guru Dr. Timothy Leary einer der Hauptprotagonisten des Romans. Geschildert durch die fiktive Figur des Psychologiestudenten und Promotionsstipendiaten in Harvard, Fitzgerald („Fitz“) Lone, nimmt sich der 70-jährige Boyle hier ein weiteres Zeitgeistthema der 60er zur Brust. Mit schönen Zeitsprengseln zu Cool Jazz, dem Aufkommen der Beatles, Martinis vor dem Essen et cetera schildert Boyle das Leben einer eingeschworenen Gemeinschaft von Psychologen und Anhängern des charismatischenObergurus Leary, die mittels exzessiver LSD-Selbstversuche, die Psychotherapie und die ganze Gesellschaft revolutionieren wollen. Die Frauen bleiben nur schmückendes Beiwerk – es sind die Jahre 1962-64 –, kümmern sich innerhalb dieser Kommune um Küche und Kinder, die forcierende Wirkung von LSD auf die Libido führt zu „wissenschaftlich“ begründetem Sexpartnertausch und dem Wunsch nach Überwindung der monogamen, besitzergreifenden Ehe.
Auch in „Das Licht“ verdichtet Boyle gekonnt historische Daten mit fiktiver Erzählung, schafft einen überzeugenden Reigen an Bezugspersonen – wie Fitz’ Frau Joanie und seinen pubertierenden Sohn Corey, und macht den Roman zu einem seiner besten.
Von Beginn an – als Prolog 1943 in Basel mit der zufälligen Entdeckung der halluzinogenen Wirkung von LSD durch den Selbstversuch des Sandoz-Chemikers Albert Hoffmann – bis zum bitteren Ende, als gescheitertes Selbstexperiment abseits des Wissenschaftsbetriebs der USA. Das anfangs legale Mittel LSD wurde zum Heilsbringer der sich weltweit entwickelnden Gegenkultur. Drop in, turn on, tune out! \ rm
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