Intention von Rainer Werner Fassbinder für das Stück „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ ist die Unterdrückung der Frau, die sich den scheinbaren Nachteil als Instrument des Terrors zu eigen macht. Als komplexe Person, intelligent und erfolgreich, steht sie für den Typus Frau, der getrieben ist von emanzipierter Unabhängigkeit und sich zugleich nach beständiger Liebe und Anerkennung sehnt. Wie viele Filme von Fassbinder hat auch dieses Stück einen stark autobiografischen Einschlag, in dem er seine eigenen zwischenmenschlichen Beziehungen aufarbeitet. Nun nimmt sich Regisseur Martin Schulze dem Stück an.
Elke Borkenstein spielt überzeugend Petra von Kant, eine erfolgreiche Modedesignerin mit gescheiterten Beziehungen. Über eine Upperclass-Freundin (Katja Zinsmeister) wird ihr die junge lebenshungrige Karin Thimm (Judith Florence Ehrhardt) vorgestellt und verfällt ihr ganz und gar. Als Lebenspartnerin und Mentorin baut sie Karin als Mannequin auf, die offensichtliche Affären unterhält und auch beruflich eigene Wege einschlägt. Sie verlässt von Kant und hinterlässt eine hysterische Frau, im Schatten ihres früheren Selbst stehend, die den Sog des Kummers und dem Alkohol verfällt.
Mit Perücken und High Heels getarnt, versucht die Modeschöpferin über ihren Mitmenschen zu stehen und ist durch ihre visuelle Maskerade nicht als reale Person greifbar. In kurzen Momenten entblößt sie sich, wenn sie in Jogginghose gekleidet, zitternd von Heulkrämpfen, versucht die Reste des verschütteten Gins ins Glas zurückzuschieben. An ihrem vierzigsten Geburtstag besuchen sie ihre Mutter Valerie (Doris Plenert) und ihre Tochter Gabriele (Luana Bellinghausen).
Die Situation spitzt sich zu, Petra sieht ein, dass sie Karin letztlich nur besitzen wollte. Von Kant fängt sich wieder und schneidert sich ein neues emotionales Gewand. Schlussendlich konnte das Verhalten der Frau nach Fassbinders Meinung genauso schrecklich sein, wie das des Mannes, fehlgeleitet durch die Auswirkungen von Erziehung und Gesellschaft. \ tgo
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