Von Ulrich Herzog
Man weiß nicht genau woran es liegt, dass Giuseppe Verdis Oper „La forza del destino“ bisweilen ein schlechtes Image nachgesagt wird. Es heißt, dass manche Künstler sogar einen Bogen um das Werk machen, wozu auch der Fall des armen Leonard Warren einen Beitrag geleistet haben mag, einem vielversprechenden amerikanischen Bariton, der im März 1960 in der Rolle des Don Carlo auf der Bühne der New Yorker Metropolitan Opera leblos zusammenbrach, fatalerweise just an der Textstelle „urna fatale del mio destino“ (verhängnisvolle Urne meines Schicksals).
Auch die groteske Handlung könnte dazu beitragen, dass die Oper eher zu den seltener aufgeführten Bühnenwerken gehört: Leonora und Alvaro unterhalten eine vermeintlich unstandesgemäße Liaison und entschließen sich zur Flucht. Als sie hierbei von dem Marchese, Leonoras Vater, überrascht werden, löst sich aus Alvaros Pistole unbeabsichtigt ein Schuss, der den Marchese tödlich trifft.
Leonora flüchtet daraufhin in ein Kloster, Alvaro geht zum Militär. Dort trifft er Don Carlo, Leonoras Bruder, der wild entschlossen ist, den Tod des Vaters zu rächen. Alvaro bleibt unerkannt und rettet Carlos Leben, der nach seiner Genesung seinerseits Alvaros Leben rettet. Als Carlo zufällig Alvaros wahre Identität entdeckt, kommt es zum Duell der beiden, in dem Carlo vermeintlich tödlich verletzt wird. Nunmehr beschließt auch Alvaro ins Kloster zu gehen, das exakt dasjenige ist, in dem sich Leonora, mittlerweile ergraut, bereits seit Jahren aufhält. Der auf wundersame Weise wiedergenesene Carlo tritt auf den Plan, immer noch auf Rache sinnend. In einem erneuten Duell mit Alvaro wird Carlo wiederum nur Zweiter. Als sich Leonora ihrem Bruder nähert, tötet er sie mit letzter Kraft. Dies ist zu viel für Alvaro, der nun das Schwert gegen sich richtet – Vorhang!
Die Urfassung des 1862 in St. Petersburg uraufgeführten Werks mit drei Leichen zum Finale wollte später dem verwöhnten Mailänder Publikum nicht so recht gefallen, weswegen Verdi sich zu einer recht umfangreichen Überarbeitung entschloss. Das Ergebnis: Eine Leiche weniger zum Schluss und eine Ouvertüre vorneweg. In Aachen kommt nun die blutrünstige Petersburger Urfassung zur Aufführung, die allerdings mit der bekannten Ouvertüre aus der Mailänder Nachbearbeitung garniert wird.
Keine Berührungsängste gegenüber dem Werk hat jedenfalls Aachens frischgebackener Generalmusikdirektor Christopher Ward, der mit einem beherzten Griff zum Taktstock die aktuelle Saison am Theater Aachen eröffnete und zur kolossalen Begeisterung des Premierenpublikums einen grandiosen Einstand feierte.
Beeindruckend, wie Kapellmeister und das erstklassig disponierte Sinfonieorchester Aachen bereits in so kurzer Zeit zueinander gefunden haben.
Auch der von Karl Shymanovitz und Jori Klomp einstudierte Chor kann überzeugen, ebenso wie die Solostimmen. Vor allem Irina Popova mit kraftvollem Mezzo und recht viel Tremolo in der gewaltigen Partie der Leonora gefällt ebenso wie der mexikanische Tenor Arturo Martín als Don Alvaro und Hrólfur Saemundsson als Carlo. Gewohnt stark Woong-jo Choi als Padre Guardiano. Auch den Bariton von Martiyn Sanders und die lupenreine Tenorstimme von Soon-wok Ka möchte man bald gerne wieder hören.
Erneut beeindruckend in Darstellung und körperlicher Präsenz zeigt sich Julia Mintzer in der Rolle der Preziosilla.
Leider bleibt die Regieleistung etwas hinter der musikalischen Qualität zurück. Hier hat Jarg Pataki in der Vergangenheit schon Ansehnlicheres gezeigt. So wird ein großer Teil der Bühne von einem mächtigen Bauwerk in Anspruch genommen, welches als Palast der Calatrava, als Kloster und als Militärstellung dienen soll, insgesamt aber so raumgreifend ist, dass den Akteuren auf der Bühne kaum Raum für Entfaltungsmöglichkeiten bleibt. Patakis Begabung zeigt sich dann aber doch noch in der Rataplan-Szene des dritten Aktes, die er in orangegelbes Licht tauchen lässt. Assoziationen von Guantanamo und die bedrückenden Bilder aus Abu Ghraib drängen sich auf.
Die Resonanz der Darbietung beim Premierenpublikum war jedenfalls ausgesprochen positiv. Besucher der nachfolgenden Aufführungen dürfen sich freuen. \
7., 10., 12.+20.10.
„La forza del destino“ (Die Macht des Schicksals)
18 Uhr (So), 19.30 Uhr, Bühne, Theater Aachen
www.theateraachen.de
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