Mit Sicherheit war das kein leichter Abend am Theater Aachen. Weder für die Zuschauer, noch für das Ensemble. Draußen war es schwitzig, drinnen gab es schwere Kunst. Und das für drei Stunden. Quasi eins zu eins brachte Teilmanns das knapp 270 Seiten dicke Buch Michel Houellebecqs auf die Bühne und streckte es dann noch mit zwei Chören.
Leider konnten sich damit nicht alle Besucher arrangieren, weshalb es nach der Pause etwas leerer war. Jedem, der das Theater vorzeitig verließ, sei gesagt: Sie haben etwas verpasst. Und manchmal ist eben etwas Durchhaltevermögen gefordert. Vor allem, wenn das Wichtigste die Aussage ist. Die, die bis zum Ende blieben, würdigten das Team mit langanhaltendem Beifall. 2015 erschien Houellebecqs scharf diskutierter Roman: Frankreich steht vor einem Umbruch. Nach den Präsidentschaftswahlen greift eine schleichende Islamisierung um sich.
Damit der Front National keinesfalls die Präsidentenwahlen gewinnt, schließen sich die bürgerlichen Parteien und die Linken mit dem muslimischen Kandidaten zusammen, der letztlich siegt. François, ein Professor an der Sorbonne, nimmt die Veränderungen wahr und beschreibt sie: Juden werden ausgegrenzt und flüchten nach Israel.
Frauen werden vom öffentlichen Leben immer weiter ausgeschlossen. Auf der anderen Seite jede Menge Vorteile: Gehälter steigen, Ruhe und Ordnung sind gewährleistet, die Monogamie – zumindest für die Männer – ist aufgehoben. Der Dreh- und Angelpunkt ist mit Sicherheit François (Karl Walter Sprungala), der als alternder Intellektueller auf der Suche nach amourösen Abenteuern – oder einfach nur Sex – durch das Bühnenbild klettert und kraxelt und eigentlich durchgängig redet.
Eine kurze Pause wird ihm gegönnt, wenn Elke Borkenstein in der Rolle aller Frauen – mal in Kampfmontur, mal im sexy Outfit – ihre Parts vorträgt oder Rainer Krause als Joris Karl Huysmann als sein imaginärer geistiger Mentor auftritt. Die drei Schauspieler geben in den drei Stunden ihr Bestes und lenken damit von dem sich manchmal doch etwas in die Länge ziehenden Stoff ab.
Einige Versprecher sind zwar am Premierenabend dabei, werden aber von Sprungala mit einem Lächeln abgetan und vom Publikum verziehen. Immerhin: schwerer Stoff, 270 Seiten, schwitzig warm. Die beiden Chöre, die das Volk verkörpern, treten auch immer wieder auf. Mal singend, mal sinnierend, mal rufend. Treten sie auf, verkriechen sich die Schauspieler auf der klettergerüstartigen Bühnenkostruktion von Andreas Becker, die bis hoch unter die Bühnendecke reicht.
Nach knapp zwei Stunden ging es in die Pause, das Publikum war sichtlich ermattet. Knapp eine Stunde später nährte sich das Ende. Die zweite Hälfte nahm schnell Fahrt auf und überraschte mit mehr Sarkasmus und auch gewieftem Witz. Und nicht zu vergessen: In einem Stück wurden viele aktuelle Themen behandelt und in Frage gestellt. Und allein dafür lohnte es sich schon, durchzuhalten! \kw
2., 5. und 16.7.
„Unterwerfung“ verschiedene Uhrzeiten,
Bühne, Theater Aachen
www.theateraachen.de
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