Eigentlich ist Markus Pavlovic´ Lieblingsbank keine Bank, sondern eine Hängematte. Die steht am nördlichen Teil des Lousbergs und eröffnet einen außergewöhnlichen Blick Richtung Herzogenrath. Für einen Archäologen ist dieser Ort keine schlechte Wahl, immerhin gehört der Lousberg selbst zu den eingetragenen Bodendenkmälern und weist Menschengeschichte auf, die bis in die Steinzeit zurückreicht.
Als Kind hat Pavlovic viel gelesen, vor allem geschichtliche Bücher. Sein erster Traumjob war der des Paläontologen. Millionen Jahre alte Dinosaurierknochen ausgraben – das kam ihm als das größte Abenteuer vor. Doch später verlagerte sich sein Interesse, er wollte lieber über die frühe Menschheit forschen, herausfinden, warum Kommunikation stattfand, die übergeordneten Systeme erkennen.
Nach dem Abitur am Heilig-Geist-Gymnasium in Würselen begann er in Köln das Archäologiestudium. Nebenfächer waren Ethnologie sowie Ur- und Frühgeschichte. Später sattelte er noch Altgriechisch drauf. Seine Promotion wurde ihm durch ein Stipendium ermöglicht, in seiner Doktorarbeit schrieb er über die Rössener Kultur im Rheinland. Aus der Region weggezogen ist er allerdings nie, das gesamte Studium absolvierte er als Pendler.
Informativer Müll
Seinen ersten Fund machte Pavlovic bei einer Lehrgrabung. In einem Bombentrichter fand er Tonscherben aus der Zeit der Bandkeramiker. „Die meisten Informationen erhält man aus dem Müll der Menschen“, weiß er heute. „Aus welchem Kulturbereich sie stammten, welche Transportwege bekannt waren, welche Waren verwendet wurden.“ Für den Archäologen ist ein Haufen Unrat mehr Wert als ein Goldpokal.
„Als Archäologe sollte man nicht zimperlich sein“, rät der 37-Jährige. „Man ist bei jedem Wetter draußen und bleibt da, solange es geht. Dazu muss man durchaus Kraft haben, braucht aber genauso viel Fingerspitzengefühl.“ Das Schneiden oder Putzen von Überresten in einem Schritt verlangt Genauigkeit und Vorsicht – ein falscher Handgriff kann jahrtausendealte Zeugnisse zerstören.
Da man in Aachen kaum ein Gemüsebeet umgraben kann, ohne auf historische Zeugnisse zu stoßen, wird die Stadtarchäologie bei Baumaßnahmen sehr früh einbezogen. „Das spart Geld, denn jeder Bagger, der still-steht, kostet mehrere Tausend Euro am Tag.“ Bei Großbaustellen wie etwa der zur Aquis Plaza-Galerie lassen sich besonders wertvolle Erkenntnisse ziehen. Etwa dass der mittelalterliche Boden weit unter dem heutigen Niveau lag. „Das lag unter anderem an der fehlenden Müllabfuhr damals“, erklärt -Pavlovic. Nach dem Motto „Alles tritt sich fest“ wurden ganze Häuser nach Abriss oder Brand nicht weggeräumt, sondern als Unter-grund benutzt.
„Man wird nicht Archäologe, um reich zu werden“
Doch so einfach ist es nicht immer. In der Vitrine am Elisenbrunnen sieht man, dass sich Bodenverhältnisse auch anders -entwickeln können. „Dort liegt der römische Estrich an einer Stelle höher als ein mittelalterlicher Boden.“
Während seiner Ausbildung hat Pavlovic für Grabungsfirmen gearbeitet. Er wurde bei projektbezogenen Arbeiten eingesetzt. Bezahlt wurde schlecht, war er mal krank, gab es gar kein Geld. „Man wird nicht Archäologe, um reich zu werden“, so sein Fazit. Was ihn damals störte: er sah immer nur die Grabung, an der er im Moment arbeitete. War der Job zu Ende, ging es zum nächsten Auftrag. Als Stadtarchäologe hat er einen Überblick über alle Arbeiten, die in Aachen stattfinden. „Mein Ziel ist es, in den Einzelmaßnahmen ein Muster zu erkennen. Vielleicht kann ich daraus neue Erkenntnisse ziehen. Und vielleicht schaffe ich es sogar zu verstehen, was die damaligen Menschen zu ihren Handlungen bewegte.“ \ Sebastian Dreher
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