Von Karin Jirsak
„They would not listen, they did not know how“, sang Don McLean 1971 in seinem Song „Vincent“ und zementierte damit den Mythos des verkannten Genies in der Popkultur, einen Mythos, den bis heute wohl keiner so perfekt verkörpert wie Vincent van Gogh. Der Mensch dahinter ist nun Studienobjekt des neuen Films von Julian Schnabel.
„An der Schwelle zur Ewigkeit“, so lautet der deutsche Titel des letzten Bildes, das van Gogh zwei Monate vor seinem Tod malte. Es zeigt einen alten Mann in blauer Arbeitskleidung, auf einem Stuhl zusammengesackt, das Gesicht in den Händen vergraben. Ein Gestus der Hoffnungslosigkeit, der sich in den meisten Szenen des Films in Bild und Ton widerspiegelt. Schon am Anfang sehen wir etwa Vincent mit seiner Staffelei durch ein endloses Feld mit verdorrten Sonnenblumen gehen. Nach einer langen Wanderung legt er sich auf den Boden und lässt Erde auf sein Gesicht fallen – unheilvolle Vorboten dessen, von dem wir wissen, dass es geschehen wird, noch bevor er auch nur ein einziges Bild verkauft hat. Doch zunächst richtet sich Vincent auf, wischt sich die Erde aus dem Gesicht und lacht, überwältigt von der Schönheit des Lichts. Es ist ein beängstigendes Lachen und eine Szene, die die Essenz dessen enthält, was zu dem berühmten abgeschnittenen Ohr des Künstlers führte.
Mit nuancierter Mimik und hoher physischer Präsenz verleiht Willem Dafoe dem ikonischen Dualismus von Genie und Wahnsinn lebendige Konturen. Seine bei den Filmfestspielen von Venedig prämierte, oscarnominierte Darstellung macht die Freuden und Qualen sichtbar, die den Maler in seinen letzten Lebenswochen immer weiter durch die Wiesen und Felder trieben, um die Schönheit und den Schrecken der Welt für die Ewigkeit zu bannen.
Das Besondere am Film von Regisseur Julian Schnabel (siehe rechts) ist, dass er uns van Goghs ambivalente Persönlichkeit von außen und von innen betrachten lässt. Von außen sehen wir den Visionär, den Abgelehnten, den Verzweifelten – aber auch einen kindischen Sonderling, einen Fanatiker und einen unnahbaren Eigenbrötler mit Hang zu aggressiven Ausbrüchen. Wir sehen jemanden, der den Menschen auch Angst machte. Blicken wir mit Vincents Augen in die Welt, sehen wir einen tobenden Sturm aus Farben und Bildern, kaum auszuhalten in ihrer fiebrigen Intensität. Das ist ohne Zweifel große Kunst, aber auch eine sehr beunruhigende Erfahrung. \
„Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit“
F/USA/CH/GB/IR 2018 // R: Julian Schnabel
Start: 18.4. | 111 Minuten | FSK 6
Julian Schnabel
Der New Yorker Regisseur ist selbst Maler und einer der bekanntesten Vertreter des Neoexpressionismus’. Mit „Before Night Falls“, „Schmetterling und Taucherglocke“ und „Miral“ feierte er auch Erfolge im Kino. Sein Debüt gab er 1996 mit dem Künstler-Biopic „Basquiat“, das am 19. April um 20 Uhr im Heerlener Filmhuis De Spiegel in der englischen Originalfassung gezeigt wird, im Rahmen der bis zum 2. Juni laufenden Basquiat-Ausstellung im Glaspaleis. \
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