Von Frank Brenner
Norditalien 1983: In seinem Landhaus beschäftigt sich Professor Perlman (Michael Stuhlbarg) mit Antiquitäten und beherbergt dort, wie in jedem Sommer, sechs Wochen lang einen Assistenten, der ihn bei seiner Arbeit unterstützt. Diesmal ist der Amerikaner Oliver (Armie Hammer) zu Gast, dem die Herzen seiner Mitmenschen im Nu zufliegen. Einzig Elio (für den Oscar nominiert: Newcomer Timothée Chalamet), der Sohn des Professors, distanziert sich von dem sieben Jahre älteren Frauenschwarm, den er für selbstgefällig und arrogant hält.
Doch im Laufe des heißen Sommers, den die beiden oft gemeinsam beim Sonnenbaden, Radfahren oder Lesen verbringen, lässt der 17-Jährige nach und nach seine wahren Gefühle zu, die Oliver schließlich erwidert. Produzent James Ivory knüpft mit dieser Adaption eines Romans von André Aciman an seine größten Erfolge aus den 1980er- und 1990er-Jahren an. Damals verfilmte er drei Werke des schwulen Schriftstellers E. M. Forster, „Zimmer mit Aussicht“, „Wiedersehen in Howards End“ und „Maurice“, von denen nur der letztgenannte auch inhaltlich die Liebe zwischen zwei Männern thematisierte. Nachdem Ivory das Drehbuch von „Call Me by Your Name“ vollendet hatte, überließ der beinahe 90-Jährige die Inszenierung jedoch dem Italiener Luca Guadagnino. Der beschränkt sich zunächst darauf, das süße Nichtstun einzufangen, wie er es zuvor schon bei „I Am Love“ und „A Bigger Splash“ getan hat. Auch diesmal könnte man monieren, dass der Regisseur sich zu Beginn jede Menge Zeit lässt und Belanglosigkeiten schildert.
Spätestens in der zweiten Filmhälfte erkennt man aber, dass genau das Teil des Konzepts war, und es wird deutlich, dass auch die Protagonisten viel zu viel Zeit vergeudet haben. Zeit, in der sie sich aus dem Weg gegangen sind, in der sie ihre Emotionen füreinander nicht zugelassen haben und die ihnen am Ende fehlen wird, weil die Dauer von Olivers Aufenthalt von Anfang an begrenzt ist. Umso wirkungsvoller können sich ab da einzelne Szenen entfalten, in denen ihre wachsende Zuneigung und schließlich ihre leidenschaftliche Liebe ausformuliert werden. Dass es um zwei Männer geht, gerät dabei fast zur Nebensache. Bei der diesjährigen Oscarverleihung (siehe Kasten) hat es „Call Me by Your Name“ auf beachtliche vier Nominierungen gebracht. Am frühen Morgen des 5. März, nur wenige Tage, nachdem der Film in unseren Kinos startet, wird man wissen, wie viele davon er tatsächlich gewonnen hat. \
„Call Me by Your Name“
USA/I/F/BRA 2017 // R: Luca Guadagnino
Start: 1.3. | 133 Minuten | FSK 12
Bewertung der redaktion
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