Von Peter Hoch
Vor zwei Jahren erhielt Barry Jenkins für „Moonlight“ den Oscar für die beste Drehbuchadaption und im Finale der Preisverleihung mit „La La Land“-Ladehemmung gab es zu Recht auch noch den Hauptpreis für den besten Film. In seinem Nachfolgewerk hat der afroamerikanische Regisseur sich nun eines Buchs seines Lieblingsautors James Baldwin angenommen. Auf sehr intime und sinnliche Weise erzählt er von einer schwarzen Familiengeschichte aus dem New Yorker Stadtbezirk Harlem der 1970er Jahre, von Alltagsrassismus, vor allem aber von der ganz ganz großen Liebe.
Protagonisten sind die 19-jährige Tish und der etwas ältere Fonny, Kindheitsfreunde, aus denen irgendwann mehr wurde und die demnächst ein Baby bekommen werden. Dass sie schwanger ist, muss die werdende Mutter dem Vater jedoch über das Gefängnisbesuchertelefon und durch eine Glasscheibe verkünden. Weshalb Fonny einsitzt, wird erst nach einem Drittel der Laufzeit klar, bis dahin liegt durch das, was man in Rückblenden und von Tish aus dem Off erfährt, aber auf der Hand, dass er die Tat nicht begangen hat. Stattdessen soll er, wie so viele Schwarze in den USA damals wie heute, als Sündenbock und wegen seiner Hautfarbe verurteilt werden.
Neben diesem Handlungsstrang schildert der Film behutsam, wie das Leben der beiden Liebenden vorher ausgesehen hat. In nicht chronologischen, betont ruhigen Szenen wird man Zeuge vom emotional starken Zusammenhalt in Tishs Familie, von der komplizierten Beziehung zwischen Fonnys kumpelhaftem Vater und der überreligiösen Mutter, von der beschwerlichen Suche nach einer Wohnung und natürlich davon, wie zwei Seelen zusammengefunden haben, die füreinander bestimmt zu sein scheinen.
Für das Hauptdarstellerduo KiKi Layne und Stephan James dürfte „Beale Street“ den Durchbruch bedeuten. Beide geben eines der schönsten, warmherzigsten und bedingungslos romantischsten Leinwandpaare der letzten Jahrzehnte ab, trotz der distanzierten, verschachtelten Erzählweise und obwohl die an der Vorlage orientierten Dialoge wie so oft bei Literaturverfilmungen etwas artifiziell anmuten.
Maßgeblich mitverantwortlich für die außergewöhnliche Stimmung zwischen Melancholie und Optimismus sind außerdem wie schon in „Moonlight“ der unaufdringliche, diesmal leicht angejazzte Soundtrack von Nicholas Britell und die Kameraarbeit von James Laxton, der die Figuren auch hier wieder in vieldeutiges Licht taucht. \
Der Autor
Der 1924 in Harlem, New York geborene James Baldwin zählt zu den bedeutendsten US-amerikanischen Schriftstellern des vorigen Jahrhunderts. Insgesamt schrieb er sechs Romane sowie mehrere Erzählungen, Essays und Gedichte. Nach seinem Tod 1987 im selbstgewählten französischen Exil geriet er zunächst in Vergessenheit, inzwischen hat die „Black Lives Matter“-Bewegung ihn aber wiederentdeckt und zitiert ihn häufig. In seinem Werk beschäftigt Baldwin sich mit allen Facetten des afroamerikanischen Lebens in den USA. \
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