Von Anja Nolte
Das Album heißt „Talent“, mit dem sich Andy Houscheid aus Belgien mal sensibel-romantisierend, mal authentisch-schnoddrig und nachdenklich-appellierend jetzt auch in die deutsche Pop-Szene spielt. Im Interview mit Klenkes-Autorin Anja Nolte erzählt er, dass er in keine Schublade passe und wie bunt die Gesellschaft wäre, wenn jeder sein Talent ausleben würde.
Sie haben mit 13 angefangen, in Bands und Ensembles zu singen und Klavier zu spielen. Wie haben Sie Ihre Leidenschaft entdeckt?
Das war schon sehr früh mit etwa sechs Jahren. Mich hat der Alleinunterhalter auf unserer Dorfkirmes fasziniert. Ich schaute ihm beim Spielen zu. Als ich dann versehentlich sein Bier umstieß, setze er mich, zu meinem Erstaunen, einfach neben sich hin. Die vielen Lichter auf den Keyboards blinkten, die Stimmung im Saal war ausgelassen …
Seit 2009 haben Sie einen Master in Jazzpiano – wer hat Sie auf Ihrem Weg inspiriert?
Mein Klavierprofessor Diederik Wissels in Brüssel lebte vor, kompromisslos einen eigenen Stil zu entwickeln und sich nicht zu sehr Modeerscheinungen hinzugeben. Klaus Ignatzek in Oldenburg war ein weiterer Glücksgriff. Er versteht es, ein Klavierspiel präzise zu analysieren und musikalisch aufzubauen. Im Rahmen eines Erasmusstudiums an der Musikhochschule in Leipzig hatte ich das Glück, mein Abschlussjahr bei dem Weltklassepianisten Richie Beirach zu absolvieren. Er hat vor seiner Zeit als Professor bereits mit Größen wie Stan Getz und Chet Baker gespielt. Beirach motivierte uns oft mit Zwischenrufen – diese „Rock’n’Roll-Stimmung“ in Verbindung mit einem solch filigranen Pianisten, wie er es ist, das war herrlich. (lacht)
Auf Ihrem neuen Album „Talent“ lassen Sie die Genres Rock, Jazz und Pop ineinanderfließen. Wie würden Sie Ihren Sound beschreiben?
Auf den Alben mehr Pop als Jazz. Wir haben definierte Beats programmiert, verschiedenste Synth-Sounds verwendet und einfach viel experimentiert. Ich improvisiere kurz auf fünf Songs. Live improvisiere ich zu den meisten Songs. Es war mir immer ein Anliegen, die Liveperformance anders zu gestalten als die Alben, da ich auch gerne überrascht werde, wenn ich selbst ein Konzert besuche. Ich habe immer versucht, meine musikalischen Einflüsse in meiner eigenen Musik zu vereinen. Wenn mir jetzt ein Kritiker sagt, „Wie soll man Sie denn einordnen? Sie passen in keine Schublade!“, dann antworte ich zufrieden: „Ja genau, wir brauchen eine neue Schublade!“
Im Lied „Talent“ sagen Sie: „Wer will noch diesen Einheitsbrei? Feiere dein Talent!“ Wen wollen Sie mit Ihren Songs erreichen?
Am liebsten alle! Ich glaube, dass wir von Geburt an mit Begabungen beschenkt sind. Ich finde es schade, wenn Talente nicht entdeckt und gefördert werden. Es erfordert Mut, zu seinen Fähigkeiten zu stehen. Am Ende geht es um die Menschlichkeit. Ich glaube, dass wir die Zukunft nur gemeinsam gestalten können. Ich denke auch, dass wir nur in der Ruhe zum inneren Frieden finden. Die Musik hilft dabei. Sie ist eine Sprache, die Gemeinschaft schaffen kann und Grenzen überwindet. Stellen Sie sich einmal vor, wie die Gesellschaft aussähe, wenn jeder sein Talent ausleben würde … Das könnte sehr bunt werden!
2017 waren Sie auf der Burg Wilhelmstein zu Gast. Was erwartet die Zuschauer auf dem Release-Konzert in Würselen?
Die Songs vom aktuellen Album. Ich bin umgeben von einer sehr guten Band. Ich habe einen guten Ersatz für unseren leider viel zu früh verstorbenen Aachener Bassisten Manni Hilgers gefunden. Die Songs sind ausgefeilt und lassen trotz allem viel Raum für Improvisation. Meine Musik lebt stark vom Moment. Außerdem mögen wir die spontane Kommunikation mit dem Publikum. Nach dem stimmungsvollen Abend auf der Freilichtbühne freue ich mich jetzt auf die zweite Begegnung mit Würselen im Alten Rathaus. \
9.2.
Andy Houscheid + Band
20 Uhr, Kulturzentrum Altes Rathaus, Würselen
Am Rande
Andy Houscheid unterrichtet Jazzpiano an der „Ecole de Musique du Canton de Clervaux“ in Luxemburg. Im Oktober letzten Jahres trat er im Vorprogramm von Konstantin Wecker in der Kölner Philharmonie auf. Houscheids neues Album „Talent“ ist auch auf Weckers Label „Sturm & Klang“ erschienen. \
Website Altes Rathaus
Website Andy Houscheid
WEITEREMPFEHLEN