Von Richard Mariaux
Mit der Schnittstelle Lyrik meets Jazz/Improvisierte Musik hatten Art de Fakt mit Ray Federman eine großartige Zeit. Jetzt, knapp zehn Jahre nach dem Tod Federmans, ist das wiedervereinigte Quintett abermals auf Augenhöhe mit dem Zeitgeist der Kunst.
Im Februar 1988 spielte die Alternative Rockband Art de Fucked ein lautes Konzert im Dumont. Im Publikum war zufällig auch Ludger Singer, der offen für vieles war und das Potential einer nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten suchenden Band herauszuhören wusste. Die damalige Keyboarderin schied krankheitsbedingt aus, Ludger Singer vervollständigte den Bandnucleus um den Gitarristen und Songschreiber Urban Elsässer und gehört neben ihm bis heute zur Gruppe.
Über Dirk Görtler, der gute Kontakte zur amerikanischen Avantgarde-Literatur hatte, wurde ein Kontakt zu dem Poeten und Literaturwissenschaftler Ray Federman aufgenommen, dessen Texte Urban damals für die Vertonungen der Gruppe bereits nutzte. „Schnell hatten wir eine gemeinsame Schnittmenge zu ihm gefunden, den experimentierfreudigen, ausufernden Jazz, der von der Spielfreude lebt und nicht von Klischees“, erinnert sich Urban.
Federman, ein in Frankreich geborener Holocaust-Überlebender, kam für viele Tourneen mit der Band nach Europa, sein künstlerischer Background ermöglichte es der Band, anstatt durch die gängigen Jazzclubs und Konzertsäle zu tingeln, jetzt vor allem viele Literaturhäuser im In- und Ausland zu bespielen.
Urban: „Wir hatten das Glück, mit Ray einen sprachgewaltigen Literaten mit Charisma auf der Bühne zu haben, der sehr musik/jazzaffin war, dessen Vorlagen sich gut für alle möglichen Vertonungen eignete. Er konnte auch mit schwer zugänglich postmodernen Wortexponanten so umgehen, dass auch unbedarfte Hörer ihren Spass daran hatten. „Der Song „The Potato that become a Tomato“ mag so ein exemplarisches Beispiel sein.
Empfohlene Namensänderung
Aber vor alldem lag ein Namenswechsel an und das kam so. Das erste Art de Fucked-Konzert mit Ray im Space im Ludwig Forum wurde von Rick Takvorian organisiert. Daraufhin folgte eine Einladung zur internationalen European Jazzcompetition auf den „Leverkusener Jazztagen“. „Da gab es einen Presseraum und einige aufgeregte Amerikaner und Engländer warnten uns – mit dem Namen Art de fucked „no chance“, kein Radioairplay und dergleichen, und da haben wir uns in Art de Fakt umbenannt.“ Vier Alben mit Ray Federman wurden eingespielt, die wie „Surfiction Jazz Vol. 1-3“ zwischen 1992 und 2003 erschienen. Ray verstarb kurz darauf mit 82 Jahren in den Vereinigten Staaten.
„Mit ihm zu reisen, war immer spannend, einerseits wegen seiner Vergangenheit, die Verarbeitung traumatischer Erfahrungen mit künstlerischen Mitteln, andererseits Rays Vorliebe für schnelle Autos, ohne BMW keine Tour usw.“, lacht Urban.
An ein Konzerterlebnis erinnert er sich dann auch noch, „an den legendären Auftritt in Frankfurt, als Ernst Jandl (österr. Dichter, Anm. d. Red.) spontan auf die Bühne kletterte und diese nicht mehr verließ, um uns auf der Bühne zuzuhören.“
Ludger Singer zog wenig später nach Berlin und dies besiegelte das vorläufige Ende von Art de Fakt. Die Galerie der Bandmitglieder ist lang und liest sich wie ein Who’s Who der Aachener Musikszene: Gitta Schäfer, Markus Proske, Uwe Böttcher, Aram Schneider, Harald Ingenhag oder Martin Fredebeul sind ein paar Namen, die über kürzere oder längere Zeiträume mitwirkten.
Vor drei Jahren kehrte Ludger Singer nach Aachen zurück und es ergab sich für Elsässer/Singer mit der „Groovemaschine“ Jürgen Wennemann (Percussion) und Klaus Neckermann am Schlagzeug zu arbeiten. Gemeinsam mit Bassist (sowie Gitarrist und Didgeridoo-Spieler) Henning Hoffmann entwickelten Art de Fakt jetzt mehr über den Faktor Groove ihre Musik, improvisierten und probierten viel, was letztlich in die Kompositionen von Elsässer/Singer einfloss. Und um es abschließend mit Ludger zu sagen: „Art de Fakt war immer und ist weiterhin der Schrecken aller Jazzpolizisten.“ \
11.2.
30 Jahre Art de Fakt
20.30 Uhr, Dumont
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