Von Richard Mariaux
Christoph Titz, in Berlin lebender Jazz-Trompeter und gebürtiger Aachener, hat mehr als nur seine musikalischen Spuren in Aachen hinterlassen. Sein diesjähriger Auftritt mit seiner aktuellen Formation auf Burg Wilhelmstein wird begleitet von der Sängerin Pat Appleton, die die leider erkrankte Astrid North vertritt.
Durch die Erkrankung von Astrid North springt die Sängerin Pat Appleton als Gast auf der Burg ein. Inwieweit ändert ihr euer Programm, übernehmt eventuell Songtitel von ihr?
Die Erkrankung von Astrid North macht mich sehr betroffen, aber es sieht mittlerweile so aus, als ob alles gut werden kann. Sie ist eine wundervolle Frau und Künstlerin. Für meine nächste CD, die mit mehreren Gästen geplant ist, hatte ich mit Pat Appleton sowieso schon gesprochen. Ich war im Dezember Gast in ihrer Band und kenne sie schon länger aus anderen Kontexten und wollte sie sowieso einladen. Wir stecken gerade in der Vorbereitung fürs Konzert auf der Burg. Bestimmt gibt’s ein, zwei Songs von ihr - entweder aus ihrem Repertoire mit DePhazz oder ihrer letzten, wirklich tollen Soloplatte „A higher Desire“.
Alleine im letzten Jahr warst du mit verschiedenen Formationen hier bei uns in der Region. Im Januar mit dem Video/Musik-Projekt „Father & Son“ im Dumont, im September mit deiner Band im Franz, im Dezember mit deiner damaligen Band „Scetches“ in Eschweiler und zuletzt an Neujahr als Mitglied im Aachener „Art’n’Schutz Orchester“ im Ludwig Forum. Ist es etwas Besonderes für dich, immer wieder mal in der ehemaligen Heimat zu spielen?
Zum einen bekomme ich die Gelegenheit, meine oben genannten Projekte hier vorzustellen, zum anderen ist es halt tatsächlich dieses Heimatgefühl bzw. das selbstverständliche Vertrauen, mit Musikern aus meiner Heimat zu spielen. Jürgen Sturm und Heribert Leuchter beispielsweise haben ja schon bei diesen Hauskonzerten meiner Eltern gespielt und das Art’n Schutz Orchester ist ein genialer Mix für mich, was speziell Aachener Jazz und Lebensgefühl angeht …
Gibt es denn mit deiner ehemaligen Formation Scetches Pläne zu einer weiteren Zusammenarbeit, oder war das Konzert in Eschweiler eine Ausnahme?
Im meinem Hinterkopf gibt es immer irgendwelche Pläne mit Scetches. Ich habe jetzt in den letzten sechs Jahren immer mal wieder die Band zusammen gebracht und wir überlegen auch jedes Mal, wie, wann, was… Ich denke, irgendwann wird’s ne neue Platte geben.
Ansonsten habe ich mit meiner Band sowie dem Father & Son-Projekt und seiner Fertigstellung gerade sehr viel „Schönes“ um die Ohren sowie in Berlin noch ein neues, ganz frisches Trio namens „Konkret“ (www.konkret.rocks).
Einmal ganz zurück zu den Anfängen. Wie kamst du an das Instrument Trompete?
Mit 11 fragte mich meine Mutter während eines Frankreichurlaubs – ich habe das Bild unserer ganzen Familie dabei noch genau im Kopf - welches Instrument ich denn lernen möchte. Es war ganz klar die Trompete, denn irgendwas muss mich da schon fasziniert haben, ohne aber zu wissen, wieviel Arbeit das für mich wird mit diesem Instrument zurecht zukommen – eine Aufgabe fürs Leben. Die Ausbildung war erstmal klassisch ausgerichtet. Allerdings war mein musikalisches Interesse ein anderes. Ich hörte mit 15 Jahren Hardrock, war ein großer Fan der NDW, fing aber auch an in dieser Zeit an Klavier zu üben, mehr autodidaktisch, was eine gewisse Freiheit für mich bedeutete. Ich wollte nicht schon wieder klassische Sachen wie mit meinem Lehrer spielen, sondern mir selbst was ausdenken, was auf dem Klavier sehr gut funktionierte. Da begann meine Lust zu improvisieren (Keith Jarretts Solokonzerte taten ihr übriges). Mit 15 begannen auch die ersten Jams mit Freunden. Da ich Trompete spielte, war ich interessant für die Kumpels, die da schon Miles, Coltrane usw. hörten. Die Musik habe ich überhaupt nicht verstanden zu der Zeit, aber im Keller sitzen und zusammen improvisieren, fand ich genial. Eine Art Geheimsprache! Es herrschte ein ziemliches Durcheinander in meinem Kopf zu dieser Zeit. Parallel lernte ich durch meine Eltern vermehrt andere künstlerische Ausdrucksformen kennen. Sie organisierten Ausstellungen, Hauskonzerte, waren sehr im „Burghaus“-Verein in Stolberg engagiert mit den diversen wirklich krassen Performance-, klassische Gitarren- oder aber auch Liedermacher-Festivals und jeglicher Form von Jazz und Kleinkunst. Eine tolle Zeit mit tollen Menschen und vielen Inspirationsquellen.
Du bist Studio- oder Tourneemusiker für unterschiedliche Künstler wie Brings, Reinhard Mey, Klaus Schulze, Sarah Connor oder Katja Ebstein. Was nimmst du für deine eigene künstlerische Entwicklung aus diesen ,Jobs’ mit?
Zum einen natürlich irgendwie zu funktionieren bzw. funktionieren zu können, sich auf die andere Musik einzustellen und sie dann so gut wie möglich zu spielen. Ich lerne da überall eine Menge in vielerlei Hinsicht. Am intensivsten ist es, wenn ich beispielsweise als Gast in Jazzkontexten spiele (mit Leszek Kulakowski, Adam Wendt, Lukasz Pawlik oder Ryszard Krawczuk. Lustigerweise alles polnische Bands, aber auch Ebo Tayler aus Ghana sowie diverse fantastische Musiker und Bands in Berlin) Da bin ich Solist, bringe auch Kompositionen von mir mit und da bin ich dann wirklich Teil der ganzen Musik.
Im Zeitalter der Algorithmen und neuen Vertriebswege für Musik. Wie behauptet sich der Künstler Christoph Titz mit neuen Produktionen über das Konzertgeschäft hinaus?
Das ist alles nach wie vor etwas abenteuerlich für mich als sogenannter Jazztrompeter. Aber ich sehe diese Entwicklung gerade sehr positiv, da ich mit diesen Möglichkeiten meine Musik frei von anderen Interessen anbieten kann. Es gibt da wieder mal gerade viel zu lernen, wie die ganze Social Media-Schiene wirklich effektiv funktioniert. Es kostet natürlich auch ne Menge Zeit, sich in der Selbstvermarktung und deren Strategien gut auszukennen. Alles Dinge neben Produktion, Mixen, Videos usw. von denen ich eigentlich nicht geträumt habe, als ich noch Trompete studiert habe bzw. als ich mit Scetches die erste CD gemacht habe. Allerdings war ich in der Zeit auch sehr vielen Menschen ausgeliefert, auf die ich mich verlassen musste, dass sie in meinem Interesse arbeiten. Ich glaube einfach, daß ich mehr Einfluss bekommen kann über derzeitige Werbeplattformen oder Vertriebswege.
Durch die nahezu inflationären Lobhudeleien über die Werke des Saxophonisten Kamasi Washington hat der Jazz innerhalb der letzten zwei Jahre (nicht nur bei HipHop-Fans) deutlich mehr Aufmerksamkeit erzielt. Siehst du in dieser Entwicklung eine beständigen Trend, der auch Künstler wie dich daran teilhaben lässt?
Zweifellos toll, was Washington auf den Markt bringt und seine Zusammenarbeit mit Kendrik Lamar. Natürlich ist es förderlich, daß handgemachte Musik bzw. Jazz in anderen Kontexten neues Publikum erreicht und somit die Lust und Neugier steigert, was andere Leute im Jazz oder Jazzverwandten so produzieren. Ein Trend? Weiß ich nicht, es wäre schön! Vorallem wird Washingtons Musik aus konzeptionellen und kompositorischen Gründen hofiert und nicht aus rein virtuosen oder die Historie anbetenden. Es steckt im Jazz und in der improvisierten Musik immer noch eine riesige Menge an Lust und Energie und ich treffe immer wieder Musiker und erlebe Situationen auch bei Proben, da weiß ich ganz genau: es geht immer weiter und ich kann noch viel lernen Das ist erfüllend! Aber klar - es könnte sich mehr rechnen.
25.8.
Christoph Titz + Band
20 Uhr, Burg Wilhelmstein, Würselen
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