In den vergangenen Jahren wurde ein seltsamer Hybrid zwischen Ambient, Improvisation, Soundtracks, Electronica und Minimal ziemlich populär. Musiken von Künstlern wie Niels Frahm, Hauschka, Max Richter oder auch Alva Noto bekamen merkantil einen hippen Stempel verpasst: Neoklassik.
Wer das ziemlich legendäre Kronos Quartet, bereits 1973 in Seattle gegründet, als Vorbild oder gar Blue Print dieses Trends einordnet, verfehlt allerdings die Bedeutung dieses forschenden und sehr originellen Streichquartetts. Kleiner Flashback: Mitte der 1980er Jahre geraten die Grenzen zwischen High Art und Pop nachdrücklich zu verschwimmen – und zwar von beiden Seiten. Performancekünstlerinnen wie Laurie Anderson landen Pophits, Musiker wie John Lurie spielen in den Filmen von Jim Jarmusch, Produzenten wie Hal Willner kuratieren Konzeptalben zu Charles Mingus, Nino Rota oder Carl Stalling – und das Kronos Quartet covert Jimi Hendrix’ “Purple Haze“, spielt Kompositionen von Steve Reich, Terry Riley, John Adams, John Zorn, Henryk Górecki, Astor Piazzolla, Bill Evans oder Thelonious Monk und spielt Filmmusiken für Ambitioniertes wie „Mishima“, „Dracula“ oder „The Fountain“ ein.
Will sagen: Das Kronos Quartet öffneten ihr Repertoire nachdrücklich in Richtung zeitgenössischer Popularmusik, pochten aber andererseits auf Verbindlichkeit und Seriosität. Hendrix und Zorn, okay. Aber eben nicht – wie bei anderen Crossover-Projekten - AC/DC oder Nirvana. Doch betrieben die Musiker nicht nur eine ungewöhnliche Repertoirepflege – Webern, Berg und Feldman inklusive! –, sondern vergaben immer häufiger auch Kompositionsaufträge. Gerne auch an den Komponisten-Nachwuchs, wie programmatisch im Programm „30 under 30“! Zuletzt unterstützte man zudem Laurie Anderson bei ihrem phänomenalen „Landfall“-Album.
Mittlerweile dürfte das Kronos Quartet mehr als 750 Stücke im Repertoire haben, was es nicht nur möglich macht, dass die Musiker bei Live-Performances immer wieder für reichlich Abwechslung sorgen können, sondern auch, dass man gewissermaßen auch das Zeitgeschehen kommentieren kann. Wie man auf der Website des Kronos Quartets erfahren kann, stehen beim Gastspiel in Aachen zum Beispiel neben Kompositionen aus dem arabischen Raum und von Philip Glass und Terry Riley auch „Strange Fruit“ (Meeropol/Holiday) und „Alabama“ (Coltrane) auf dem Programm: Klassiker der Kritik am mörderischen Rassismus, sehr aktuell. Kurzum: Ein Konzertereignis, das zu versäumen sehr gute Gründe braucht. \ uk
9.7.
Kronos Quartet
20 Uhr, Musikbunker (Einlass 19 Uhr)
Das Konzert ist komplett bestuhlt. Ein Einlass nach Konzertbeginn ist nicht möglich.
www.mubu.ac
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