Neuer Aachener Kustverein
Im schwierigen Geschäft, die eigenständige Bildsprache aktueller Kunstströmungen einem darauf wenig vorbereiteten Publikum anzubieten, hat die nun nach Münster wechselnde Leiterin des NAK Melanie Bono manche Blüte mit der Popkultur und der Musikszene crossovernder Kunstformen nach Aachen gezogen. Keine leicht zu konsumierende Kost, die ohne Vermittlung nicht auf fruchtbaren Nährboden fallen kann.
Ludwig Forum
Diesen Nährboden hat Aachens erste Museumspädagogin Irmgard Gercke, die nach 32 Jahren Dienstzeit nun ihr Lebenswerk der Museumspädagogik des Ludwig-Forums ruhestandshalber verlässt, in zahlreichen generationsübergreifenden und Künstler/innen einbindenden Aktivitäten für Aachen und Umgebung grundgelegt. Die Bedeutung dieses Zugangsschaffens für die Akzeptanz von Neuem, Künstlerischem und Fremden kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Umso erfreulicher das Einvernehmen über die Wiederbesetzung. Die neue Leiterin des Lufo, Dr. Brigitte Franzen, nunmehr ein Jahr tätig, hat mit an Spärlichkeit grenzender Inszenierung, gründlicher Durchforstung, Restaurierung und Klärung des Bestandes, Anstellung einer Kustodin für Videokunst und der angefangenen Wiederbelebung des Gartenterrains den Fokus auf die Auseinandersetzung mit dem Einzelwerk und das Verhältnis von Kunst, Raum und Architektur gelegt, der auch im kommenden Jahr akut bleibt.
Suermondt-Ludwig Museum etc.
Das anspruchsvolle internationale Programm des Teams um Direktor Peter van den Brink beschert demnächst „Hans von Aachen“, inszeniert portionsweise den klassischen Bestand neu und bringt präsentablere Veränderungen für die Eingangszone. Silvia Böhmer kontinuiert mit bewährten Fotoausstellungen und Dr. Dagmar Peising hat mit publikumswirksamen Ausstellungen das Couvenmuseum besucherbelebt. Dr. Adam C. Oellers bleibt der letzte Recke mit Interesse an der lokalen Kunst, etwa dem 150. Todesjahr Alfred Rethels.
Archäologie
Erfreulich waren im Rückblick die Entwicklungen in der Stadtarchäologie, die nach Jahrzehnten der Diaspora nicht nur durch die Einstellung von Dr. Andreas Schaub und die Grabungen am Elisenbrunnen eine publikumswirksame Kontinutiät und positive Resonanz bekommen hat, sondern auch die stadtgeschichtliche Erkenntnisschwelle um Dimensionen jenseits Karls des Großen zu erweitern vermochte. Das Bewußtsein für Erhaltungswürdigkeit und Integrierbarkeit von Bodenfunden in Neubauten scheint gewachsen, wie Geschäftsumbauten Ursulinerstr. 7-9 und Büchel 10 zeigen.
Stadtgeschichte
Im Zusammenhang mit der peinlich dümpelnden Causa Burg Frankenberg und Route Charlemagne schwächelt das Interesse der marketinginfizierten Offiziellen zwar weiterhin, aber dafür triumphiert das Bürgerengagement. Eine konstruktive Interessengemeinschaft von regionalen Geschichtsvereinen bemüht sich seit Jahren um ein stadtgeschichtliches Museum weit über die Leuchttüme Karl und Dom bis in die Nachkriegszeit hinausgehende Fakten und Informationen aufzubereiten und der Entscheiderebene anzudienen, die doch nur wieder, aber immerhin mit Wechselausstellungsfläche und Depot, ein stadtgeschichtliches Rudimentpotpourri im umgebauten Centre Charlemagne am Katschhof integrieren will.
Internationales Zeitungsmuseum
Erstaunlich auch das durch viel ehrenamtliches Engagement zu Stande Gebrachte im Internationalen Zeitungsmuseum, dass sich vom Zeitungsdepot zum Medienzentrum entwickelt und auch während des Umbaus an der Pontstr. im Haus Löwenstein Programm bietet.
Atelierhaus Aachen
Unentschlossenheit weiterhin, ob das Atelierhaus integrierter Lebenskeim eines Campusneulandes werden darf, das nicht hörnmäßig leblos bleiben sollte und irgendwo immer an „ugly“-Gewöhnlich-Bauten grenzt, oder ob’s ins künstlerunkonform zu teuer renovierte Nordviertelquartier gehen soll.
Kulturförderung ist eine freiwillige Leistung der Städte. In Zeiten der Haushaltssischerung ist sie gefährdet, als Luxusverdacht, als nicht mainstreamig genug, als statistisch nach Besuchszahlenerfolgen klassifiziertes Produkt. Kultur ist, was den Bürgern überlieferungswürdig erscheint, und wenn’s auch nur wenige sind. Aber das sind die wirklich Engagierten ja überall. Es sind die Biotope, die das Leben weiterentwickelnd aufrechterhalten, nicht das Flächengrün.
Dirk Tölke
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