Die von Purcell komponierte Barockoper erzählt die Geschichte der karthagischen Königin Dido und des Aeneas, der sich aus seiner Heimat vertrieben auf einer sieben Jahre dauernden Fahrt befindet. Dido und Aeneas werden ein Liebespaar. Doch das Glück ist von kurzer Dauer: Eine Zauberin will Dido zerstören und sendet einen als Gott Merkur getarnten Handlanger zu Aeneas, um diesen daran zu erinnern, dass er seine Reise sofort fortsetzen muss. Obwohl Aeneas seine Abreise vorbereitet, verspricht er Dido bei einem letzten Treffen, den Göttern zuwiderzuhandeln und bei ihr zu bleiben. Doch Dido schickt ihn fort und stirbt an gebrochenem Herzen.
Was Regisseur Tibor Torell aus dieser Geschichte macht, ist nahezu unbeschreiblich. Das heißt, er macht ja gar nichts aus dieser Geschichte, sondern erfindet eine komplett neue Handlung. Hier wird Aeneas von der Zauberin und ihren Gehilfinnen in eine Massenorgie der Höflinge hineingezogen, zieht sich dann ein paar Linien Koks, um schließlich Didos Hofdame Belinda brutal zu vergewaltigen. Das Ganze wird natürlich per Handy gefilmt, und dieser Film Dido hinterbracht, so dass diese Aeneas damit konfrontiert und abweist. Warum Torell diese neue Handlung erfindet, wird überhaupt nicht klar. Es kann für eine solche Inszenierung auch eigentlich gar keinen Grund geben. Aber vielleicht war der Grund für den Regisseur doch ganz klar: Heutzutage – mag er wohl geglaubt haben – kann man eben nur durch sinnlose Provokation Aufsehen erregen und Ruhm erlangen. Und wie kann man das besser erreichen, als zu wunderbarer Barockmusik ein Gemenge aus Sex, Drogen, halbnackten Darstellern und Vergewaltigung hinzuzufügen? Ach ja, und warum findet das Ganze eigentlich in einer Turnhalle statt? Die Idee war ein Theater im Theater, eine Probe zu zeigen. Doch wer probt denn bitte in einer Turnhalle? Vielleicht sollte Torell in Zukunft lieber probieren, mit einer sauberen, schlüssigen Regiearbeit seine Fähigkeiten zu beweisen.
Die Musik rettet den Abend. Das Orchester der Musikhochschule präsentiert unter der Leitung von Herbert Görtz, der übrigens die jungen Sänger sehr einfühlsam begleitet, einen spritzigen, klar akzentuierten Barockklang, von dem sich gestandene Orchester noch einiges abschauen könnten. Kanako Sakaue zeigt mit ihrer Verkörperung der Dido eine sängerische und darstellerische Reife, die beeindruckt. Einziger Makel, der übrigens auch beim Aeneas und dem Geist der Zauberin auffällt, ist der manchmal zu direkte, plötzliche Tonansatz. Dennoch liefern auch Maximilian Krummen (Aeneas) und Vassilios Manis (Geist) sehr ansprechende sängerische und darstellerische Leistungen ab. Das gesamte Ensemble überzeugt mit einer sehr guten Vorstellung; besonders hervorgehoben werden muss noch der junge Bass Sejong Chang als Cold Genius, der seine Arie bravourös meisterte.
Text: Tanja Sprungala
Foto: Ludwig Koerfer
1., 6.7.
„Dido & Aeneas“
19.30 Uhr, Theater Aachen, Bühne
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