Das könnte ein rauschendes Fest werden. Die Hüpfburg steht, die Haare von Fußpflegerin Irene (Annette Schmitt) sitzen. Sie verteilt schonmal Flyer im Publikum, dass auch keiner ihren neuen Fußpflege-Salon bei der Eröffnung des neuen Shoppingcenters verpasst. Florentina (Mona Creutzer) und Gangsterer (Martin Päthel) lungern spätabends noch vor der Absperrung der neu erbauten Shopping Mall herum, teilen sich eine Zigarette mit ordentlich Zusatzstoffen und sinnieren über das Paarungsverhalten von Bonobos. Dort gibt es nämlich keinen Streit. Nur Liebe. „Wenn sich zwei Bonobos ums selbe Mädchen streiten, dann schlafen die zuerst mal miteinander. Das nimmt den Druck dann aus der Angelegenheit“, erklärt eine leicht torkelnde Florentina mit wildem Haar und derben Boots. Der Wachmann kommentiert: „Make love, not war!“ Da ist doch was zwischen den beiden, will man grad mutmaßen, da kippt die Stimmung, weil sie anfängt, an seinem Arbeitsoverall zu fummel. „Obacht, du sprichst mit einem Wachorgan!“ Aber Florentina bleibt unbeeindruckt, will wissen, warum sie nachts in den Gewerbepark gebeten wurde. „Weil das Kaufhaus Risse hat!“ Und das drei Tage vor der Eröffnung. Aber das ist noch nicht alles, wie sich schnell zeigt. Ein Frauenmörder treibt obendrein noch sein Unwesen. Beißt Frauen die Herzen raus und lässt die Leichen liegen. Was für ein Drama für den ehrenwerten Bürgermeister (wunderbar: Jochen Deuticke), der zwar große Töne spucken kann, sonst aber eher wie ein kleiner ängstlicher Junge wirkt, der die richtige Arbeit lieber von Gangsterer erledigen lässt. Das Publikum lacht trotz der absurden Frauenleichen über den sich windenden, nicht-hingucken-könnenden Bürgermeister und den Wachmann, der jetzt zum Detektiv ernannt wurde, und die in Mülltüten verpackte Leiche – ein Bein schaut bedenklich wippend raus – in eine Mülltonne räumt. Das wortwitzige Streitgespräch der beiden über globales und regionales Denken lässt auch den Letzten im Publikum lachen, spätestens, wenn Deuticke die ganz großen Geschütze auffährt und jammert: „Ich hab doch nie gelebt.“
Makaber, absurd, lustig und voll Liebe, so wird es rund 1,5 Stunden weitergehen. Zum Beispiel als Irene Florentina aus den Zehen liest („Der vierte von links ist der Liebeszeh“), der Bürgermeister die Liebesavancen von Irene annimmt, Irene sich als Mann entpuppt („Irene ist uneinordenbar.“). Beklemmend wird es, wenn sich der Neue (Jack Rehfuß) einbringt und versucht, mit Florentina anzubandeln. Wer ist der Typ und hat er was mit den Leichen zu tun? Das große Finale ereignet sich dann auf der feierlichen Eröffnung des Centers. Alleinunterhalter Sven, der Herzerlkasper (Thomas Berndt) schiebt seine mobile Musikeinlage auf die Bühne, Irene tänzelt mit einem goldenen Symbolschlüssel um den Bürgermeister herum. Mit der pinken Jeans, der platinblonden Turmfrisur, den hochgepushten Brüsten und der präsentierenden Art wirkt sie wie eine Mischung aus Maren Gilsner beim Glücksrad und der Nanny Fran Fine. Dazu wird gesungen und getanzt. Martin Päthel, der seine Geheimaktion „Findet der Herzerlfresser“ sehr ernst nimmt, hat sich als Frau verkleidet, der irgendwann den erschöpften Bürgermeister (Jochen Deuticke tanzt während der Eröffnungszene, wo sich immer wieder Details auf den unterschiedlichen Ebenen der Bühne stattfindet 20 Minuten ohne Pause durch) stützt und alle völlig betrunken ihre Hemmungen abstreifen. Leider spielt das Theater K den „Herzerlfresser nur noch bis Anfang November. Wer es bis dahin schafft: Unbedingt hingehen. Das wird ein absurd-lustiger Abend mit Liebe. Und wer braucht das nicht?! (kira wirtz)
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