Von Richard Mariaux
Auch das Musikjahr in Aachen und der Region neigt sich dem Ende zu. Zeit für Gedanken über Konzerte „mit Hut“, Gagen-Preistreiber, preiswürdige lokale Veranstalter, Festival-Umzüge und die Zukunft des Musikhörens.
Eine Untersuchung in Nordrhein-Westfalen hat gezeigt, dass von über 2.000 Konzerten im Jahr fast 60 Prozent umsonst oder „mit Hut“ waren und der Trend ist ungebrochen. Hauptberufliche Musiker leben ohnehin meist in prekären Verhältnissen. Was treibt die vielen Clubs und Kneipiers dazu, trotzdem auf dieses Modell zu setzen? Käme kein Publikum bei einem moderaten Eintrittspreis von fünf, acht oder zehn Euro?
Livemusik hat es heute schwieriger, als sagen wir mal Ende der 80er Jahre. Sie konkurriert mit einem gänzlich anderen Freizeit- und Ausgehverhalten der vor allem jüngeren Zielgruppen. Binge Watching mit einer Netflix-Serie heute Abend?
Gemeinsam Kochen in der Studenten-WG? Druck im verschulten Hochschulstudium mit eingeschränkter Freizeit? Hinzu kommt eine Unübersichtlichkeit im gleichzeitigen Angebot der Musikstile, Trends, der vielen Veröffentlichungen von Newcomern sowie Oldies – was auch die Spotify-Playlist nicht zu lösen vermag. Nicht zu vergessen: die Gagenpolitik der etablierten Künstler, die viele Veranstalter in einen überbietenden Preiskrieg treibt.
Gagen-Preistreiber
Hiesige Veranstalter – und hier stehen alle unter einem besonderen Druck – sind vor allem in den Sommermonaten – der Open Air-Saison – gefordert, mit spitzem Bleistift zu rechnen. Sei es in Eupen beim „Musik Marathon“, in Würselen für die Burg-Saison, beim „Kimiko-Festival“ oder den „Kurpark Classix“ in Aachen. Für 2018 können die Fans von Rock-Opa Ian Anderson und seiner Begleitband Jethro Tull schon mal was ansparen. 80 beziehungsweise 90 Euro ist der angesetzte Preis für das Konzert im Sommer auf der Burg Monschau.
In Anbetracht der anstehenden Produktionskosten, des Geldkontos von Herrn Anderson sowie des seit langem mangelhaften künstlerischen Outputs des Interpreten eine nassforsche Unverschämtheit. Wer letztlich diese Preise aufruft, Künstler oder Booking-Agentur, sei da mal dahingestellt.
Applaus
Aber es gibt auch positive Entwicklungen. Dankenswerterweise hat die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Frau Monika Grütters, vor einigen Jahren den Förderpreis „APPLAUS“ (Auszeichnung der Programmplanung unabhängiger Spielstätten) ins Leben gerufen. In diesem Jahr wurden direkt zwei Aachener Clubs für ihr Programm mit diesem Preis mit einmal 40.000 Euro für den Musikbunker und mit 7.500 Euro für das kleine Dumont gewürdigt. Aber das Geld ist schnell ausgegeben oder investiert, wie zum Beispiel beim Musikbunker in eine optimiertere Tonanlage. Förderungen nach dem Gießkannenprinzip gibt es darüber hinaus von der Stadt Aachen.
In den Genuss kommen neben städtisch inszenierten Veranstaltungen wie dem „September Special“ oder „across the borders“ auch diverse Musikerinititativen und Konzertlocations. Bedenkt das städtische Füllhorn auch die atmosphärisch schönen Straßenfestivals in der Südstraße und das wiederkehrende „Lothringair“ für ihre engagierte Kulturarbeit?
Nicht zufrieden mit der politischen Unterstützung sind die Festivalveranstalter von „Niemandsland e.V.“. Im Sommer noch in der Natur von Mulartshütte bei Roetgen zuhause, plant man jetzt mangels städteregionaler Unterstützung einen Ortswechsel. Spruchreif ist derzeit noch nichts. Auch das Elektrofestival „Garten Eden“ denkt für seine zweite Auflage an einen Umzug. Laut Veranstalter Alex Hövelmann, biete der Flughafen Merzbrück zwar eine gute Infrastruktur, man wolle jedoch mehr Richtung Aachen. Und Rick Opgenoorth plant für den Herbst einen „Kimiko“-Ableger als Indoor-Festival im Alten Schlachthof in Eupen. Klingt nach einer spannenden Festival-Saison. \
Musik-Konsum
Auch fernab der Bühnen ist Bewegung im Spiel. Der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) legte die Zahlen für das erste Halbjahr 2017 vor. Die Umsätze der Musikindustrie sind um 2,9 Prozent gewachsen. Marktanteile: CDs mit 44,7 Prozent, Streaming-Dienste mit 37,7 Prozent, Downloads mit 11 Prozent und Vinyl mit 5 Prozent. \
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