Von Dirk Tölke
Der deutsche Künstler André Butzer stellt in seiner ersten Einzelausstellung in Belgien kreischendbunte Figurationscollagen (1990er) minimalistischen Schwarz-weiß-Flächen gegenüber (2000er). Es ist der Auftakt eines IKOB-Jahres, das unter den Begriffen Pragmatismus und Selbstorganisation steht
Die Frage bleibt, mit der André Butzer in den 1980ern künstlerisch sozialisiert wurde. Was vermag die Malerei heute noch auszudrücken? Welche Art von Erkenntnis bleibt, wenn die abbildende Darstellung der Wirklichkeit keine Option und Eigenständigkeit mehr bietet, wenn Malerei tot sein soll, wenn man danach sucht, was man Eigenes zu sagen haben könnte, weil man doch einfach gerne malen würde.
Die unschuldige, ideale Welt war dahin, der Bilderpluralismus steigerte sich, Bilder schienen keine Welt für sich mehr. Was in dieser schwärenden Endzeitstimmung der Malerei blieb, war Innerliches, Trauertrotziges, die „Wirklichkeit“ als Konglomerat von Gegensätzen oder Unvereinbarem und die Wirklichkeit der Farbmaterie. Massenkonsum und Massenvernichtung werden Butzers Bezugspunkte, die Spannung durch Ausbeutung ermöglichten Konsumgenusses, der durch kontaminierte Geschichte vergällten Lebensfreude. Er will nicht moralisieren, belehren, als Maler Ratschläge geben. Er will das aushalten und bildhaft austarieren.
Er geht an die Grenzen des Bildes, an pure Grundierung einerseits und Farbgemenge und Collagechaos in Anlehnung an Asger Jorn und Cobra plus Comic andererseits, an Nichts und Überfülle. Er sucht Inhaltslosigkeit von existenziellem Belang, driftet aber figürlich provokant auch schon mal ins neckisch Unbedarfte. Zum einen entstehen Bilder der Vollständigkeit, in denen in einem Schichtflächenraum comic-kindliche Substratfiguren als Daseinsfiguren fungieren sollen, er desweiteren abstrakt ein Liniennetz auswirft, um Farbflächen einzufangen.
Warum nicht? Als nur malenwollende Renitenz ein Phänomen (des Übergangs – zu irgendwas?) einer noch naiv eurozentrischen Weltwahrnehmung vor 2000, getränkt von enttäuschtem Amerikanismus, Großkonzernaversion, unausgesöhntem Konsumstreben und Disneygewöhnung. Diese routinelose Affrontwilligkeit sucht undogmatisch poetisch nach ungesicherten schutzlosen Bildern, in denen die Gleichzeitigkeit der erlebten Widersprüche intentionslos spürbar werden soll.
Ist es Balance, Ausgleich, Durchdringung, Verhältnismäßigkeit oder bloß Konstellation der Gegensätze, als Erfahrungspotpourri? Kann aus Wirrsal Konzeption werden? In seinen farbigen Konglomeraten entwickelt sich neben einer kosmischen Bezugnahme auf eine andere Welt (Nasaheim) im Stile eines Science-fiction-Expressionismus eine unhomogen spannungsgeladene Malfläche und die Arbeit mit der Farbe als einheitliche Lichtwirkung, als Zusammenklang, der sich von der Gebundenheit an den Gegenstand verselbstständigt.
Am anderen Ende der Malerei ab 2000 werden so in Butzers reduzierteren Werken aus Linien und Flächen bis in schwarz und weiß, präziser in dunkler und lichter Qualität von Farbe derlei Ausgleichsmechanismen erprobt. Auch hier kommt das Eigenlicht aus der Farbe. Der karge Rest an Bildhaftem überspielt selbst das Bildformat und strahlt unstatische Stabilität aus.
Im Gegensatz zur Kontrastwelt der Werbung entsteht hier eine Depolarisation der Farben. Ein möglicher malerischer Weg mit Überfülle und Abstraktion umzugehen und zu zeigen, worauf Malerei verweisen kann. Auch wenn es nicht um Abbild, Aussage und Inhalt geht, so doch immer um Wirkung von Bildern, um Rhythmus, Klang, Empfindbarkeiten, Blickrichtungen, Denkzusammenhänge, Koordinationsstrategien.
Auch ohne Thema bleibt das Bild Mittel zum Zweck, Anstoß zum Weiterdenken, zum Ergänzen, als Katalysator und Assoziationshilfe, als Erfahrungsraum von Freiheit oder der Sehnsucht nach Harmonie. Kurator Frank Thorsten Moll, bei dem nie etwas nur hingehängt oder untergebracht ist, lässt den Bildern Raum, sich zu entfalten, er reduziert den direkten Vergleich, der fälschlich Serielles vermuten ließe und begünstigt die Gegensätze. \
bis 4.3.
André Butzer
IKOB – Museum für Zeitgenössische Kunst, Eupen
www.ikob.be
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