Von Alexander Barth
Er kam, mischte auf und ging mit 27 Jahren: Jean-Michel Basquiat. Gerade einmal ein gutes Jahrzehnt dauerte die Schaffenszeit eines der einflussreichsten Künstler der jüngeren Vergangenheit. Schon bevor sich Basquiat 1979 erstmals der Öffentlichkeit präsentierte, hatte er bereits nachhaltige Spuren in den Straßen New York Citys hinterlassen – als hintersinniger Kritiker und Aufgreifer des Zeitgeistes.
An heruntergekommenen Häuserwänden oder schmuddeligen U-Bahn-Stationen waren es die Sprüche mit der mysteriösen Signatur „SAMO©“, die für Abwechslung und Rätselraten sorgten. Ungefähr an diesem Punkt setzt die Heerlener Ausstellung „Basquiat – The Artist and his New York Scene“ an. Von der Gewalt der inneren Dämonen eines Mannes, der als schwarzer Künstler den von Weißen dominierten Markt nachhaltig aufmischen sollte und der 1988 an den Folgen eines heftigen Drogen-Mixes starb, ist da noch wenig zu spüren.
Bereits seit 1977 hatten sich Basquiat und sein Kumpel Alex Dias als „SAMO©“ verewigt. Neben jenem Slang-Wort für „Same Old Shit“ trug das Copyright-Zeichen als provokantes Spielzeug zwischen Szene und Kommerz zur Aufmerksamkeit bei. Die umfangreiche Fotogalerie der „SAMO©“-Sprüche – formuliert zwischen kritischer Ironie und purer Provokation und konserviert von Martha Cooper und Henry Flynt – nimmt eine ganze Wandlänge im Raum ein.
Beim Gang durch die Heerlener Schau erschließt sich umfassend die Metamorphose vom ambitionierten Teenage-Künstler zum Ateliermaler, dem das Label Neo-Expressionismus auf den Leib geschneidert wurde. Zu sehen sind zahlreiche Zeichnungen, Skulpturen, Textfragmente, Fotos und Zeugnisse scheinbar beiläufig entstandener Objektgestaltung – geschaffen zu einer Zeit, in der sich New York von seiner abgewrackten Seite zu zeigen wusste und dennoch als veritabler Leuchtturm einer experimentellen Kunst- und Musikszene taugte. Es sind fiebrige Momentaufnahmen zwischen Punk und New Wave, Graffiti und Straßenkunst, Drogen und Nihilismus.
Als veritable Basis und gleichzeitig vielschichtige Leinwand diente seinerzeit die gemeinsame Wohnung mit seiner Freundin Alexis Adler. Ihr ist es auch zu verdanken, dass die Entstehung von Basquiats frühen Werken fotografisch dokumentiert und somit auch zu sehen ist. Dass der ehrgeizige Jüngling die Behausung als allumfassendes Experimentierfeld nutzte, schien Adler nie gestört zu haben. Immer wieder schleppte Basquiat zudem Unrat aus den Straßen der Stadt in die Wohnung, in Ermangelung von Leinwänden und anderen Utensilien.
Neben der Schilderung des Vorabends, einer am Ende kurzen wie schillernden Karriere, offenbart die Schau eine zweite beachtliche Ebene: Das Abbilden der Szene jener Zeit, manifestiert in der Retrospektive eines wegweisenden Kunstereignisses der Jahres 1980. Die legendäre „Times Square Show“ ebnete nicht nur Basquiat den Weg auf etablierte Pfade, auch Keith Haring oder die Düsseldorfer Künstlergruppe Normal wussten zu profitieren. Im Schunck sind rund 50 Originalarbeiten von damals zu sehen.
Es offenbart sich eine Schau, die man ob der Zugkraft ihres Protagonisten in exklusiveren Städten vermuten würde. Die Frühwerke eines derart einflussreichen Künstlers in einer mit dem Strukturwandel samt Begleiterscheinungen kämpfenden Ex-Bergbaustadt? Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich der Umstand als fast zwangsläufig wirkender Zusammenhang. „Es gibt Parallelen zwischen den Szenarien hier wie dort“, sagt Fabian de Cloe, der die Schau mit Cynthia Jordens kuratiert hat. „Das Heerlen von heute will sich nach Jahren des Verfalls und der Stagnation als kreativer Ort neu erfinden“.
StreetArt
Ergänzend zu dieser Ausstellungsbesprechung gibt es in der nächsten Ausgabe von Klenkes neo (erscheint Mitte März) eine Streetart-Fotoreportage aus Heerlen. Termine für die „Street Art Heerlen Tour“ im Rahmen der Ausstellung gibt es im Internet auf www.schunck.nl.
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