Als Joos van der Beke um 1485-1490 am Niederrhein geboren, wurde seine Herkunft aus der Stadt oder der Provinz Kleve später zum Bestandteil seines Namens – offenbar aber weniger prägnant als bei dem im letzten Jahr gehuldigten Hans von Aachen: Künstlerbiograf Karel van Mander verwechselte seine Lebensgeschichte mit der seines verrückten Sohnes Cornelis und machte ihn zum „Sotte Cleef“, dem verrückten Cleef. Eine frühe Tätigkeit des jungen Malers war die Assistenz von Jan Joest bei einem Hochaltar in Kalkar, in dessen Werkstatt er Barthel Bruyn kennenlernte. Nach einem Aufenthalt in Brügge gründete van Cleve in der damaligen Kunst- und Handelsmetropole Antwerpen eine Werkstatt und wurde 1511 Mitglied der Lukasgilde.
Die Vielseitigkeit des Malers, der sowohl bedeutende Altarwerke und Andachtsbilder als auch ergreifende Porträts schuf, ist das zentrale Thema der Ausstellung: In gewohnt sachlicher Architektur, diesmal mit gewagtem Petrol als Kontrapunkt zu gediegenem Grau und Dunkelrot als Hintergrund, wird die lichte Raumhöhe genutzt, um den Altarbildnissen einen sakralen Rahmen zu verleihen.
Die früheste Auftragsarbeit, der monumentale Reinhold-Altar für die Marienkirche in Danzig, entstand auf Wunsch der Auftraggeber zusammen mit einer Antwerpener Bildschnitzerwerkstatt, deren Schnitzaltäre im 16. Jahrhundert hochgeschätzt waren. Geöffnet zeigt der Altar Szenen aus dem Marienleben, im geschlossenen Zustand die lebensgroße Darstellungen Johannes des Täufers und des Hl. Reinholds – dieser selbstbewusst als Selbstporträt des Malers. Eine Ausstellungssektion ist den Bildreihen gewidmet – Joos van Cleve und seine überaus produktive Werkstatt produzierten mehrere Fassungen der berühmten „Kirschenmadonna“ nach der Madonna von Giampietrino und Christus und Johannes als Kinder, einander umarmend, nach Vorbild des Mailänders D’Oggiono, einem der erfolgreichsten Schüler Leonardo da Vincis. Seine Mariendarstellung im Stil des großen Meisters erinnert in Körperhaltung und dem besonderen „Sfumato“, der in nebligem Dunst verhallenden Landschaft und den sanften Konturen und Schatten der Figuren, an die berühmte Felsgrottenmadonna Leonardos.
Trotz jeweiliger Unterschiede bei Figuren, Architektur und Landschaft zeigen alle Werke die Handschrift Joos van Cleves: Dan Ewing fasst in seinem Katalogbeitrag den Malstil punktgenau zusammen, wenn er ihn als „Italienische Kunst in niederländischer Übersetzung“ bezeichnet. ‘
Das malerische Talent und die Leidenschaft Joos van Cleves treten besonders bei den Porträts hervor, nicht zuletzt weil er immer wieder die Gelegenheit sucht, sich selbst darzustellen, à la Alfred Hitchcock als Statist oder als autonomes Selbstbildnis. Seine detailverliebte Malweise wird durch den durchdachten Einsatz von Farbe und Licht im Sinne eines van Eyck zum Spektakel: Die lebensnahen Porträts begeisterten nicht nur die Zeitgenossen, wie Franz I., der ihn neben seinen Hofporträtisten Jean Clouet nach Frankreich holte, die Bildnisse Joos van Cleves faszinieren auch nach fast 500 Jahren! Belinda Petri
17.3.-26.6.
Leonardo des Nordens – Joos van Cleve
Suermondt-Ludwig-Museum
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