Gute zeitgenössische Handwerkskunst ist rar. Sogenannte Kunsthandwerkermärkte reihen sich zwar wacker ein in den kaum eine Jahreszeit noch auslassenden Reigen steter Kaufanreizung und stoischen Bespaßung im Freizeitbedarf einer konsumorientierten Wochenendgesellschaft. Formal überzeugende, gut gestaltete Kunstgebrauchsgegenstände, die über sich und ihre Dinglichkeit hinaus und fern des flüchtig aufzuckenden Gaumenreizes köstlichster Degustationen den guten Nachgeschmack zu reizen vermögen, findet man im übrigen nur selten. Claudia Merx ist Textilingenieurin. Dass sie Ihr Handwerk versteht, kann man sehen und sogar haptisch erfahren, wie es eine synästhetische Wahrnehmung sich wünscht. In der (Neu)romanischen Kirche St. Adalbert hat die Textilexpertin für einige Wochen von ihr gestaltete, semitransparente Tücher in die Rundbögen der Säulenarkaden gehängt. In ihrer Disposition korrespondieren die Stoffbahnen einerseits mit den Kirchenfenstern, deren Gestaltung und Textur sie sich gegenüber sehen. Andererseits bilden die Lichtöffnungen Ausgangsflächen zur Be- und Durchleuchtung der weißen Textilien. Der Betrachter mag sie als Kleidung der Leiber abwesender Menschen betrachten, als Hülle und auch Zeichenebene individueller Biographien oder isolierter Lebenserfahrungen. Man kann sich aber auch allein den Formen, Collagen oder der Textur der Stoffe und besonders ihrem wechselnden Erscheinungsbild im Licht überlassen. Dann mögen sich Manchem Momente bieten, die jenseits des Tastsinns zu berühren befähigen und die über das Dingliche des manuell verfertigten und durchgearbeiteten Filigrans hinaus verweisen auf Symbolisches. In Merx’ gerade realisiertem Fastentuch in St. Augustin in Coburg tritt selbst das Zeichen zurück und ein in die reine Tektonik der Stofffläche. Die alte Tradition einer Verhüllung der Bilder im Kirchenraum während der Fastenzeit wird konzeptuell nutzbar. Dem von Merx’ Aachener Lichttüchern angesprochenen Passanten bleibt dann allein noch übrig einen Appell in den Wind zu sprechen: mehr gutes Kunsthandwerk bitte, weniger, bitte, schlechte Kunst.
St. Adalbert, Aachen: Claudia Merx, gelebtes Leben - Tücher, eine sakrale
Installation
Bis 11.04.
Christof Claser
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