Die Pop-Kritik hat die Band eigentlich immer ausgesprochen wohlwollend begleitet, aber das aktuelle Album „Krokus“ wurde gerade in den Feuilletons derart euphorisch umjubelt und gepriesen, dass die Musiker selbst davon überrascht wurden. KLENKES-Autor Ulrich Kriest staunt und sprach mit Sänger und Texter Markus Berges und dem Multiinstrumentalisten und Studiofex Ekimas.
Hättet ihr jemals gedacht, dass Erdmöbel einmal als die Retter der deutschsprachigen Popmusik gefeiert würden? „Krokus“ wurde bei Erscheinen mit seitenlangen Feuilletons abgefeiert.
Ekimas: Wir können uns das auch nicht erklären. Es ist wohl so, dass wir mit dieser Platte einige offene Türen eingerannt haben. Es war offenbar ein echtes Bedürfnis nach „kulturell Hochstehendem“ da - und wir waren eine der wenigen Bands, die dieses Bedürfnis befriedigt haben.
Markus Berges:. „Krokus“ ist zwar unserer Meinung nach ein sehr gutes Album geworden, andererseits ist es auch ein typisches Erdmöbel-Album. Dass dann plötzlich derart auf Gefallen stößt, ist schon überraschend.
Ekimas: Was wirklich anders war diesmal: Wir mussten plötzlich keinen Spagat zwischen Rockmusik und Kultur mehr machen. Das war plötzlich vereinbar.
Das Wort „Rockmusik“ hätte ich im Zusammenhang mit Erdmöbel gar nicht in den Mund genommen.
Ekimas: Wir nehmen dieses Wort auch ungern in den Mund, aber es gibt kein besseres.
Popmusik?
Ekimas: Popmusik, das ist eben auch Lady Gaga. Und das sind wir nicht. Dieter Bohlen, das ist ist Popmusik. Es ist ein schwieriger Begriff. Rockmusik ist ja eigentlich eine ziemlich häßliche Musik, bei der man mit Gitarren auf der Bühne steht. Und genau das machen wir.
Aber gerade „Krokus“ lebt doch davon, dass ganz wenige Gitarren zu hören sind.
Ekimas: Na, das war jetzt auch eher symbolisch gesprochen. Wir sind einfach eine richtige Band. So wie die Beatles.
Vor einigen Wochen hattet ihr eine Radiosendung zu bestreiten, in der ihr Musik spielen durftet, die euch gefällt. Da habt ihr neben Indie-Bands wie Spoon oder Bowerbirds auch Klassiker wie Paul McCartney oder Bob Dylan ausgesucht. Die eigentliche Überraschung aber war für mich ein ganz frühes Lied von Franz-Josef Degenhardt. „Auf der Espressomaschine“ klingt schwer nach Erdmöbel, ist aber von 1965.
Markus Berges: Uns gab es schon, als wir den für uns entdeckt haben. Aber uns ging es wie dir. Ich habe irgendwann die alten Degenhardt-Platten noch einmal durchgehört. Der Mann ist ein großer Poet.
Vielleicht sollten die Fans des Poeten Degenhardt mal ein „Best of“ kompilieren. Vielleicht ist Degenhardt auch so altersmilde geworden, dass er sich über eine Wiederentdeckung aus anderer Perspektive freuen würde.
Ekimas: Degenhardt altersmilde? Niemals! (lacht)
Markus Berges: Wir haben übrigens Degenhardt auch schon gecovert: „Ein schönes Lied“. Kann man auf YouTube angucken.
Könnte euer rasanter Ruhm denn auch damit zu tun haben, dass die „Hamburger Schule“ etwas Moos angesetzt hat. Normalerweise guckt man bei intellektuell ambitionierten Texten reflexhaft Richtung Norden.
Ekimas: Ich glaube, Erdmöbel bedienen nicht das Bedürfnis nach dem Intellektuellen, sondern das Bedürfnis nach dem Poetischen. Das ist schon ein Unterschied. Ich habe auch gar nichts gegen Blumfeld und Distelmeyers kontroverse Texte, wo dann diskutiert wird, ob man das darf, ob das jetzt noch cool ist. Über unsere Texte wird nicht diskutiert. Das ist auch gut so, denn wir wollen das auch gar nicht. Die Leute sind ein bisschen lockerer geworden was Poesie angeht.
Wie sieht es denn in Sachen Radio-Airplay bei Erdmöbel aus?
Markus Berges: Schlecht sieht das aus. Dabei würden wir gerne mal einen richtigen Hit landen. „Krokus“ wurde zwar viel vorgestellt im Radio, aber eben nur bei den Kultursendern. Der Radio-Hit bleibt weiter ein Wunschtraum.
Ekimas: Es gibt bei den Radiostationen so Musikraster - und da fallen wir leider immer durch. Da heißt es dann: »Das ist zu schwierig, da sind unsere Hörer verwirrt und rufen uns dann an und nerven uns!«
Das Radio als Nebenbei-Medium. Kaum läuft ein Song von Erdmöbel, gibt es haufenweise Autounfälle und in Tischlereien werden dutzende Finger abgesägt.
Markus Berges: Ja, genau! (lacht) Und es ist doch wirklich eine Kackhaltung, das nicht zu wollen, oder? (lacht)
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