In verletzlich akurater Materialität von hochgradig reduktiver Aussagekraft hat der 1957 in Antwerpen geborene Ludwig Vandevelde dunkel gebeiztes Eichenholz beschnitzt und daraus in überaus direkter Plastizität die schmerzensreiche Maria thematisiert. Dies ist das Ergebnis einer Doktorarbeit an der Hogeschool Gent mit sieben zwischen 2006 und 2010 entstandenen Elementen, die sich zu einer anspielungsreich modernisierten Pieta zusammenschließen. Diese im Mittelalter geprägte Darstellung zeigt Maria üblicherweise mit dem Leichnam des toten Jesus. VandeVelde jedoch, der sich vor Jahren schon mit dem Thema Melancholie auseinandersetzte, hat diese plastische Auseinandersetzung mit dem mütterlichen Verlust ihres Sohnes, der um der Erlösung willen starb, aktualisiert und in Andeutungen zerlegt, die in intensiven Kürzeln trotz hochgradiger Realistik den spirituellen Gehalt der im Andachtsbild nachvollzogenen Trauerarbeit zwischen Leid und Mitleid mit zeitgemäßem Ernst vermitteln. Am deutlichsten wird dies an Maria, die in schlichtem Gewand, aber einem Cocktailkleid der 60er und Bürgerlichkeit andeutender Perlenkette wie eine Museumsbesucherin auf einem Clubhocker Monolit thront, ermattet, aber mit Haltung. In züchtiger Anspannung, mit Segensgestus-gespreizten Fingern, die ein M formen zeigt sie das zeitgemäße Gesicht einer abgekämpften aber selbstbewussten Hausfrau, die in duldsamer Wehmutslosigkeit die Ansprüche an ihr Rollenbild in vorbildlicher Eigenständigkeit durchzuhalten versucht. Das mag der zwiespältigen Gefühlslage Mariens nahekommen. Mit dem Klassiker-Mobiliar, zu dem auch die Barcelona-Liege von Ludwig Mies van der Rohe von 1930 gehört, die in illusionistischer Weise in Eiche nachgeschnitzt und durch Bienenwachsbehandlung haptisch-ledrig wirkt und als synonym für die Grablege steht, sind Würdeformen des modernen Designs aktiviert, die zugleich auf die Zeit des zweiten Vatikanischen Konzils und seine Liturgiereform verweisen (1962-65). An Grabplatten erinnern von Hand dünn gehobelte Eichenholztafeln mit einzelnen Buchstaben, die das Wort „Pieta“ bilden und durch einen an Berninis verzückte Theresa gemahnenden Mädchenkopf zur Klagemauer werden. Fragmente wie Tränentuch, herabhängender Armtorso, Seitenwunde und tränende Augenpartien vervollständigen diese Neuinterpretation eines klassischen Themas.
Man erfährt ironielos ehrfürchtige Bedeutsamkeit, eine selten gewordene Bildempfindung in turbulösen Zeiten voller Sterbeverdrängung und alltäglicher Bildgewalt zerstörter Leiber. ///
alle Texte: dito
bis 16.10.
Ludwig Vandevelde – „Pietà“
Raum für Kunst
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