„Wenn ich ins Theatercafé gehe, dann erwarte ich noch immer jeden Moment den Heino über seine Brille linsen und mir zuzwinkern zu sehen.“ Da saß er immer, mit Kaffee, Kuchen und Zeitung. „Hier konnte man ihn abseits der Bühne treffen, hier hat er sich auch gerne mal auf ein Pläuschchen unterhalten.“ Noch ist der Tod des Schauspielers bei Intendant Michael Schmitz-Aufterbeck nicht richtig angekommen. Auch wenn Cohrs mit 87 Jahren das mit Abstand älteste Ensemble-Mitglied war, starb er unerwartet.
In der letzten Zeit ging es ihm oft nicht gut, aber die Bühne war ihm wichtiger als die Krankheit. Wenn Probe war, war Probe. Da hat er sich dann auch das ein oder andere Mal selbst aus dem Krankenhaus entlassen, um nicht zu fehlen. Die Leiden des Alters und des Krankseins haben ihn gestört, weil sie ihn beim Theaterspielen einschränkten. „Es tat weh, zuzusehen, wie ihm sein Körper einen Strich durch die Rechnung zu machen drohte. Wir wollten ihn in den letzten Spielzeiten ab und an etwas schonen, aber das sah er anders. Und wenn er eben mal auf der Bühne stolpern würde? „Na und? Es ist schon Schlimmeres passiert“, erwiderte er dann mit einem guten Schuss Selbstironie.
Stücke mit Heino Cohrs in der Hauptrolle waren immer gut besucht, er stand für Qualität, für den alten Schlag des Schauspielertums. Seine letzte Rolle war Felix Krull, eine Inszenierung, die auf ihn zugeschnitten war – auf die physischen Gebrechen seines Alters, aber auch auf seine Liebe zur Sprache. Überhaupt war es immer die Sprache, die es ihm angetan hatte und über die er sich den Stücken näherte – „die Arbeit beginnt, wenn das Stück im Kopf ist.“ – Er war nicht der Typ, der einfach auswendig lernte, mit großer Disziplin arbeitete er an jedem einzelnen Stück. 2008 glänzte er zum Beispiel in der Rolle von Effi Briests Vater, durch Mimik und Sprachakzentuierung vermittelte er eine unendliche Palette von Emotionen. Die Arbeit am Stück machte ihm Spaß, er erarbeitete Authentizität – in jeder seiner Rollen. Nach Briest war der Spaß durch seine Krankheit getrübt. Andere Stücke, die Schmitz-Aufterbeck als ganz besonders in Erinnerung sind, sind zum Beispiel der King Lear und Warten auf Godot. „Cohrs war kein polternder Lear, er schlug milde, leise Töne an – ein König mit Charakter, ein milder, leiser Lear.“
Der kleine, schmächtige, feingliedrige Cohrs war selten laut, nicht abseits, nicht auf der Bühne. Er war einfach präsent. Wenn er die Bühne betrat, kamen mit ihm über fünfzig Jahre Bühnenerfahrung, ein Mann, der noch das Theater vor und dann auch kurz nach dem zweiten Weltkrieg miterlebt hat. Er hat Generationen von Publikum kommen und gehen sehen, alleine in Aachen acht Intendanten.
„Doch seinen Status hat er nie ausgenutzt, er zeigte keine Manierismen, er wollte spielen, nicht Regie führen.“ Ab und an äußerte er eine Wunschrolle, aber auch meistens nur auf Nachfrage. Zum Dienst fuhr er bis zum Schluss mit dem Bus aus dem Frankenberger Viertel, das Taxi war ihm zu dekadent.
Heino Cohrs war einer, der sich nicht in den Mittelpunkt drängte. „Wenn man ihn fragte, was er sich zum Bühnenjubiläum zum Beispiel wünschte, zuckte er mit den Schultern, aber wehe, wir hätten ein Jubiläum oder seinen Geburtstag vergessen“; schmunzelt Schmitz-Aufterbeck.
Cohrs selber hat sich fast alle Stücke angeschaut. Besonders gerne kam er ins Musiktheater. „Wenn er nicht auf der Bühne stand, saß er an der Ecke in der ersten Reihe im ersten Rang.“
Bleibt man 50 Jahre an einer Bühne, muss man die Stadt und ihr Theater sehr lieben. Heino Cohrs war ein loyaler Mensch. Und sein Publikum war es auch.
Text: Barbara Taxhet
Foto: Carl Brunn
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