Von Katja Laska
Fabrikgebäude, Zuhause der Stadtpuppenbühne „Öcher Schängche“ und Zentrum für Kinder und Jugendkultur – nur mit letzterem soll jetzt Schluss sein. Am 30. Juni schließt die Barockfabrik. Für die einen ein schleichender Prozess, für die anderen eine traurige Nachricht. „Die Barockfabrik und das Gelände sind ein Stück Aachener Kultur und Geschichte und hat ein besonderen Stellenwert im Gedächtnis der Stadt“, fasst es Olaf Müller vom Kulturbetrieb zusammen.
Ob dieser Stellenwert nun sinkt, schließlich wird das Kursprogramm in der Barockfabrik eingestampft? Das Angebot soll ab diesem Sommer dezentral fortgesetzt werden. Der Weg bis zum Kultur- und Jugendzentrum, wie wir es heute kennen, war nicht leicht. Eher holprig und steinig. 1975 erwarb die Stadt Aachen eine alte Fabrik im Barockstil. Ein schönes stilechtes altes Gemäuer und dazu noch leerstehend. Früher war hier eine Tuchfabrik untergebracht. Was man machen wollte, war zunächst noch unklar. Die Stadtverwaltung richtete Stadtarchiv in den oberen Etagen ein.
Ende 1977 wurde die Initiative Barockfabrik ins Leben gerufen. Sie bestand aus acht Künstlergruppen: Interessengemeinschaft der Bildenden Künstler (IKB), Kinderbühne Aachen, Literaturinitiative Aachen Lina, 1. Aachener Musikkooperative, Film- und Happeninggruppe Blaustich, Videowerkstatt Aachen, Aachener Tanzwerkstatt und Gruppe Sozialpädagogen. Alle wünschten sich ein Künstler- und Bürgerhaus. „Das Gebäude soll eine Villa Kunterbunt sein und kein cleanes Krankenhaus, in der Kreativität und Spontanität im Keim erstickt werden“, sagte der Aachener Künstler Peter Mainka, der der Aktionsgruppe Blaustich angehörte, einmal. Rückendeckung gab es vom damaligen Kulturdezernenten Dr. Heinz Fries.
Auch er wollte nicht, dass das historische Gebäude zu einem „Aktengrab“ verkommt. Sechs Jahre und viele nervenaufreibende Gespräche später der Kompromiss: Die Initiative darf einziehen; die beiden oberen Stockwerke stehen aber weiter dem Stadtarchiv zur Verfügung. Der Teilerfolg wurde ab dem 16. Januar 1982 mit einer Eröffnungswoche zelebriert, schließlich hatte man sich gegen Bürokraten und Politiker durchgesetzt.
Das Herzstück des Programms wurde von Kindern mitgestaltet. In dem Stück „König in der Pfütze“ des Müncheners Wilfried Grote müssen sich die Gaukler, Tänzer, Sänger und Schlangenbeschwörer auf einem Markt in Marrakesch gegen einen tyrannischen König zur Wehr setzen und ein Kunststück vorführen. Die Kinder durften der „Avanti“-Theatergruppe, die sich ebenfalls 1980er Jahre der Initiative angeschlossen hatte, in kleinen Mitmach-Aktionen helfen. Der Grundstein war gelegt. Zunächst lief das Ganze in Selbstverwaltung. Mitte der 1980er Jahre war bei vielen Gruppen jedoch die Luft raus. Ernüchterung machte sich breit. „Der Elan war raus“, gab Mainka damals zu. Raum- und Platznot taten ihr Übriges.
Neues Konzept
1994 dann der Zug an der Reißleine. Mit neuem Konzept wird das Bürger- und Künstlerhaus zum heutigen Zentrum für Kinder- und Jugendkultur. Die Aachener Theaterpädagogin Helga Hanek behielt den Überblick und setzte Musikworkshops mit Music Loft, Videowerkstätten, Malen und Tanzen auf den Plan. Seit 2007 hat Alexandra Lünskens diese Aufgabe inne. Ihr wurde noch eine Person zur Seite gestellt. Das alles wird nun wieder gestrichen. Für viele kam der Schlussstrich plötzlich. „Wir haben auf der Internetseite der Barockfabrik von der Schließung erfahren“, erzählt Ellen Begolli von den Linken.
Der Stein der Schließung kam schon 2013 ins Rollen. Die schwarz-grüne Mehrheit im Kulturausschuss beschließt: Das Kinderkulturprogramm in der alten Tuchfabrik wird eingestellt – den Protesten von SPD, FDP und den Linken zum Trotz. Unterzeichnet wurde der Antrag damals von den beiden Fraktionsvorsitzenden Ulla Griepentrog (Grüne) und Harald Baal (CDU).
„Die seit 2006 verabredetete neue Rolle einer Koordinationsstelle für Kulturelle Bildung für Kinder und Jugendliche hat die Barockfabrik laut Verwaltung leider nicht erfüllt“, sagte Hermann Josef Pilgram von den Grünen. Das Angebot werde an nur einem Ort wenig genutzt. Gäbe es ein dezentrales Programm auf mehrere Stätten verteilt, würde es mehr Kinder erreichen, hieß es auf Anfrage von der CDU.
„Dann wurde es wieder ruhig in Sachen Barockfabrik und nun wird dieses Schwarz-Grüne-Ansinnen, ohne weitere Information an die politischen Vertreter im Betriebsausschuss Kultur, von der Verwaltung umgesetzt“, sagt Begolli. Die neue Ratsperiode, die Bildung einer neuen Koalition und die Frage, was haben wir denn eigentlich schon an Angeboten, ließ das Vorhaben ins Stocken geraten, so die CDU.
Raum, Platz, Personal
Auch hier kommen wieder die Raum- und Platzprobleme ins Spiel. Die Baulage war nie optimal, das Gebäude suboptimal. „Die architektonische Grundstruktur – lange Gänge, Toiletten und Garderobe im Keller, Unübersichtlichkeit und ein enges Treppenhaus – ist für die Zielgruppe von Kindern zwischen drei und 14 Jahren problematisch“, erklärt Pilgram.
Insgesamt stemmten zwei Personen den Betrieb, wurde einer krank, fielen die Kurse aus – „eine sehr dünne Personaldecke“ ist somit ein weiterer Grund für die Schließung. Für die Linken ist das nicht genug. „Wo ein politischer Wille ist, ist auch ein Weg“, stellt Begolli klar. „Die Barockfabrik ist eine wunderschöne städtische Immobilie im Herzen der Stadt. Dieses Haus muss mit Leben gefüllt sein. Was bietet sich da eher an, als Kinder und Jugendkultur anzubieten, von denen es in der Stadt nicht genug geben kann.“ Darum scheint es den Verantwortlichen allerdings nicht zu gehen. Die Qualität des Angebots müsse gesichert werden, nicht der Ort. „Die aktive Kulturpolitik hat in den letzten zehn Jahren massiv zugenommen. An den vielen neuen Orten und Kultureinrichtungen, die in den letzten Jahren entstanden sind, wird es das Angebot weiter geben“. Gemeint sind vor allem die Häuser entlang der Route Charlemagne.
Mit an Bord sind zehn Stationen, unter anderem das Internationale Zeitungsmuseum, das Grashaus, das Centre Charlemagne, das Depot in der Talstraße, das Suermondt-Ludwig-Museum und die Musikschule. Auch die Museumspädagogik, die bereits besteht, spielt im Gesamtbild eine Rolle. Auch die Barockfabrik soll, wenn auch in geringerem Maße, weiterhin ein Ort dafür sein. Die Stadtpuppenbühne „Öcher Schängchen“ behält ihre Heimat, genauso wie die Rote Bühne, auf der im November wieder die Kindertheatertage gefeiert werden.
Was mit dem Gebäude und den leeren Räumen passiert, ist noch nicht sicher. Zum Gerücht, dass ein Verkauf anstehe, sagte Olaf Müller: „Ich sehe nicht, dass das Gebäude abgerissen oder verkauft wird – ohne den politischen Souveränen vorzugreifen“. Auch, wenn die Schließung beschlossene Sache ist, bleiben Fragen: Wie wird das neue Programm im einzelnen aussehen? Noch wichtiger: Wird auch weiter in die Immobilie investiert? Wenn ja, wie? Schließlich ist sie „ein Stück Aachener Kultur und Geschichte“, wie Müller sagt. \
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