Am Anfang war ein Knie. Ein schmerzhaftes Knie, welches den Musiker Heribert Leuchter zu einer Untersuchung in eine MRT-Röhre einfahren ließ. Wer jemals minutenlang in einem Magnet-Resonanz-Tomographen gelegen hat, weiß um die klaustrophobische Atmosphäre, die zudem von vielen seltsamen Geräuschen aufgeladen ist. Jeder Patient hat die Wahl eine kompensierende Musikeinspielung auf die Ohren zu bekommen – Heribert Leuchter hatte sich dagegen entschieden und war erstaunt, wie viele faszinierende Sounds und Clackgeräusche diese Röhre innerhalb einer gängigen Untersuchung generierte.
Leuchter dachte weiter an sein Knie und die Röhre und bei einem Treffen mit Olaf Müller (Kulturbetrieb der Stadt Aachen) und RWTH-Pressesprecher Toni Wimmer wurde die Idee der „Sounds of Science“ im Rahmen der Reihe „Kultur-Labor“ des Bürgerforums RWTHextern konkretisiert.
Wochenlang streifte er mit einem Aufnahmegerät durch zehn verschiedene Institute der Hochschule. An 20 Aufnahmeorten nahm er von 150 Maschinen mechanische und elektronische Geräusche auf, die als Samples die Basis für die CD „Sounds of Science“ bilden. Dazu gehört zum Beispiel ein Herzklappentester, der mit hoher Taktzahl auf seine Belastbarkeit unermüdlich vor sich hintaktet. Heribert Leuchter: „Wenn man nahe genug herangeht, klingt er wie ein LKW-Motor.“ Oder ein Lichtbogen im Institut für Schweiß- und Fügetechnik, der künstlich in einen kritischen Zustand gebracht wurde, aber schließlich den gewünschten Soundeffekt brachte.
Zum Projekt gehört ebenso der Trompeter Christoph Titz, der mit Leuchter jahrelang die Bläserfraktion in der Band von Manfred Leuchter bildete. Mit den Samples haben beide erst einmal für sich alleine experimentiert. „Ich liebe die warmen pumpenden Sounds,“ erklärt Titz, „Geräusche haben eine Struktur und bei unserem Projekt wird dann eben die Pumpe zum Schlagzeug.“ Genutzt haben beide ein Apple-Programm, welches eigentlich ein DJ-Tool ist. Dass die CD live im Mai letzten Jahres aufgenommen wurde, hört man ihr nicht an. Ein interaktiver Soundtrack läuft vom Computer und Samples und Sequencer-Programme sind einzeln abrufbar, also veränderbar und stehen auch der Improvisation der Musiker nicht im Weg. Es ist schwer vorstellbar, aber die Musik durchweht neben ein paar netten Trance-Effekten eher ein moderater, auskomponierter jazziger Sound, der von dem Zusammenspiel der beiden Blasinstrumente geprägt wird. Die Maschinen haben hier (noch) nicht die Musik gestürmt. Der ehemalige RWTH-Alumus Heribert Leuchter plant weitere Fortsetzungen dieser Wissenschaft-Soundtracks. Ende letzten Jahres spielte das Duo ein weiteres Konzert im Rahmen der RWTH-Wissenschaftsnacht „5 vor 12“. Gedacht ist auch an eine filmische Aufarbeitung der Maschinenwelt und dem Ursprung ihrer verwendeten Rhythmen. Erste Ergebnisse gibt es im Herbst mit einem geplanten Auftritt in Heerlen und sicherlich spannend wäre auch eine kleine Tournee durch die vielen Industriestandorte der StädteRegion Aachen. Die sich der Wissenschaft unterordnenden Maschinen haben da keine Eile.
„Sounds of Science“ ist erhältlich im RWTH-Shop im Hauptgebäude, online unter rwth-aachen-shop.de,
im Aachener Musikhandel und bei Klenkes Ticket im Kapuziner Karree.
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