Von Kira Wirtz
as ist denn da los im ehemaligen Lust for Life? Gerade wurde diese Ecke der Stadt noch als Paradebeispiel für den hoffnungslosen Leerstand und das Sterben des Einzelhandels genannt, belebt jetzt ein buntes Café mit Liegestühlen im Außenbereich, einer riesigen Theke innen und frischen Blumen auf den Tischen den Geschäftsraum des ehemaligen Café Alex.
Julia, Anke und Patricia kennt man spätestens seit ihrer Erfolgsidee „Hotel Total“ dem Pop-Up Hotel in der ehemaligen Elisabethkirche. Zusammen mit der Wirtschaftsförderung der Stadt Aachen haben Sie nun einen Ausstellungsraum für das spannende Förderprojekt „Shopping Lab Aachen“ entwickelt – mit begleitendem Pop-Up Café.
Ein kreatives Zentrum für Einzelhändler und Kunden das sich für neue Ideen, Austausch untereinander und ein nettes Miteinander in der Aachener Innenstadt einsetzt.
Aber erst mal von Anfang an. Ende Mai hatten die Drei neuen Tatendrang. Leerstand in der Stadt umnutzen, ein Pop Up-Café eröffnen und dadurch die Innenstadt – zumindest für einen gewissen Zeitraum – beleben. Und da man durch das Projekt „Hotel Total“ viele Kontakte geknüpft hatte, griffen sie zum Telefon und fragten einfach mal bei der Wirtschaftsförderung nach, ob es einen Leerstand gäbe, den man ihnen im Sommer für ein Pop-Up-Café zur Verfügung stellen könnte.
Die Antwort war aber nicht einfach „Ja, haben wir“, sondern „Ja, haben wir. Auch wir wollten Euch anrufen, denn wir haben ein neues Projekt in Planung, bei dem wir sehr gerne mit Euch kooperieren würden. Wie wäre es, wenn ihr nicht nur ein Café eröffnet, sondern in unserem Auftrag auch gleich eine Ausstellungskonzeption entwickelt? Thema: Wie bringen wir Digitalisierung in den Aachener Einzelhandel.“ Die Drei waren natürlich direkt begeistert, wussten allerdings noch nicht, wie es im ehemaligen Alex wirklich aussah.
„Wir haben uns an den Schaufenstern die Nase platt gedrückt. Aber erst als wir das erste Mal das Licht einschalteten, sahen wir, wie viel Arbeit uns bevor stand. Alles war irgendwie muffig, die Möbel schwer zu gebrauchen und die Shisha-Bar hatte alle Wände mit perlmutt-glitzernder Farbe angemalt. Ein paar Stellen haben wir nicht überstrichen, die nennen wir jetzt liebevoll unsere ‚Digitalpartikel“, erzählt Patricia. Es blieben vier Wochen Zeit, ein ca. 350 Quadratmeter großer Raum, der komplett renoviert werden musste, 196 Quadratmeter OSB-Holz, das verbaut werden wollte, 27 Helfer, die Tag und Nacht schufteten und ein Ausstellungskonzept, das es in sich hatte.
Interaktives Einkaufserlebnis
Das „Shopping Lab“ ist ein Förder- und Gemeinschaftsprojektder Stadt Aachen mit dem Ziel, Digitalisierung im Einzelhandel verständlich zu machen. „Und das ist schwerer, als man in der heutigen Zeit vielleicht denkt“, erklärt Jannik Wendorff von der Wirtschaftsförderung. „Im Einzelhandel wurde der Digitalisierung irgendwie ein schlechter Stempel aufgedrückt. Dabei ist sie weit mehr als das Shoppen bei Amazon. Und genau das soll hier gezeigt werden.“
Das ist aber nur möglich, wenn die Einzelhändler und natürlich auch deren Kunden die unterschiedlichen Facetten der Digitalisierung kennenlernen. „Selbst, wenn ein Einzelhändler nachher zu dem Entschluss kommt, dass zum Beispiel ein 3D-Drucker für ihn nicht in Frage kommt, nimmt er vielleicht ein paar andere wichtige Eindrücke mit oder vernetzt sich mit anderen Einzelhändlern.“ Zusammen mit fünf Partnern werden im „Shopping Lab“ Konzepte von Online-Marketing bis 3D-Druck vorgestellt und in einer kostenlosen Ausstellung und Workshops erarbeitet.
Wie die einzelnen Konzepte am besten transportiert werden und die Ausstellung den Menschen näher gebracht werden kann, haben Projektpartner und Wirtschaftstförderung gemeinsam mit Patricia, Julia und Anke ausgetüftelt. Dass zudem noch ein Café eröffnet wurde, in dem lokale Produkte in Kooperation mit Aachener Einzelhändlern angeboten werden – Kaffee von Plum´s und Kuchen von Café Juli, Tee von Sonnentor oder Mittagstisch von mof mof – hilft, den Ort zu einem gemütlichen Treffpunkt zu machen, an dem man sich nicht nur weiterbilden, sondern auch austauschen kann.
Bitte mutig sein!
Manche Themen sind für Laien schwer fassbar, weshalb die Drei jederzeit gerne durch die Ausstellung führen, Fragen beantworten und bei Interesse auch den Kontakt zu den Firmen herstellen. Und bis jetzt ist das Lab ein toller Erfolg. Bei der Eröffnung Ende Mai waren rund 120 Einzelhändler da, die sich anfangs zum Teil skeptisch und nachher mit großer Begeisterung umsahen, sich für Workshops anmeldeten und erste Kontakte zu anderen Einzelhändlern knüpften.
„Während unserer Öffnungszeiten kommen viele interessierte Menschen vorbei, wir versuchen mit jedem Kontakt aufzunehmen, der sich die unterschiedlichen Konzepte anschaut.“ erklärt Patricia. „Das Interesse ist wirklich groß, die Unsicherheit aber auch. Aber genau dafür ist das Projekt ja da, um genau diese zu nehmen.“
Und wenn man so im Pop Up-Café sitzt, die Drucker im Nacken, Monitore mit Kurzfilmen zu unterschiedlichen Projekten an den Wänden, dem niedlichen Roboter Pepper mit seinen sympathischen Kulleraugen keine 50 Meter entfernt und der gemütlichen großen Theke, lässt sich feststellen: Der Spirit ist echt cool und es macht Spaß hier zu sein. Ein Rundgang durch die Ausstellung macht schnell klar: Hier muss man keine Angst haben, das sind lediglich super gute Ideen für den Einzelhandel der Zukunft. Wie wäre es mit einer App, die einem durch einen riesigen Supermarkt hilft, immer mit dem Ziel, das gewünschte Lebensmittel schnellstmöglich zu erreichen. Oder wäre der kleine Pepper etwas für das eigene Geschäft. Einmal mit dem Inventar gekoppelt, könnte er aus dem Lager den passenden linken Schuh holen oder direkt nachprüfen, ob es noch andere Größen und Farben gibt.
Aber auch der Kunde kann Anregungen geben. In einer gemütlichen Ecke mit cremefarbenen Sitzsack stellt hier mal „Alexa“ – programmiert von Dialego – die Fragen zu Einkaufsverhalten und -wünschen. Natürlich wird alles anonym gespeichert und ausgewertet. Einen Pop Up-Store in den Räumen besitzt bereits die Laserkatze aus dem Frankenberger Viertel. Mittels einer App des Start-Ups XpressPay kann man die zu kaufenden Produkte einscannen und dann direkt mit dem Handy bezahlen.
Wer erst mal nur eine Beratung bekommen möchte, was es für Basis-Möglichkeiten der Digitalisierung für das eigene Geschäft gibt, kann sich zur offenen Sprechstunde an den Tisch von Aixhibit wagen. Dort bekommt man neben einer kostenlosen Beratung auch die Möglichkeit, eine Geschäftsidee von vorne bis hinten zu verfolgen. „No. 3“, ein wirklich existierendes Geschäft für Textilien und Accessoires, das am 4. August in der Rethelstraße eröffnet, wurde von Beginn an von Aixhibit begleitet und gecoacht.
Freude zählt
Willkommen sind im „Café Total“ alle. „Für uns ist es ganz wichtig, dass das hier ein offener Ort ist, dass die Leute sich wohlfühlen und wenn sie wollen, Netzwerken oder einfach einen Kaffee trinken können.“ sagt Julia. Die Kosten für das Café gehen übrigens auf die Kappe der Drei. Das stemmen sie auf eigene Faust, verdienen tun sie über die Gastronomie.
Dass man damit nicht wirklich reich werden kann, hält die drei nicht davon ab Ihre Träume zu realisieren. „Genau das hier ist es, was wir machen wollen. Hier entstehen immer neue Ideen. Im größeren Sinne machen wir Stadtraumgestaltung für Aachen. Und das ist für uns der größte Antrieb.“ Was sie mit dem „Hotel Total“ auf die Beine gestellt haben, macht sie nachhaltig stolz. „Hätten wir das Projekt damals nicht gewagt, gäbe es heute die Digital Church vermutlich in der Form nicht. Geld darf bei solchen Projekten nicht der einzige Antrieb sein.“ „Meist folgt auf so ein Projekt direkt das nächste, man lernt viele neue Leute und auch echte Freunde und Mitstreiter kennen und das hat einen enormen Wert!“, ergänzt Anke.
Und genau hier ist wohl auch der Punkt gewesen, an den die Wirtschaftsförderung dachte, als sie sich für ihr Projekt „Shopping La“ die Drei ins Boot geholt hat. Sie machen das schwer Fassbare leicht, das Trockene interessant, Muffiges frisch und erwecken den Stillstand zum Leben. Und dass ihr Konzept Erfolg hat, beweist die Verlängerung des Pop Up-Cafés von August bis Oktober. So sieht Zukunft hoffentlich aus. Wir freuen uns auf alle zukünftigen Projekte. \
WEITEREMPFEHLEN