Casino Royale
Der Regenbogenpresse dient sie seit Jahrzehnten als dankbares Titelblatt, dem gemeinen Volk als beliebte Projektsfläche: Elizabeth II ist längst ein kulturelles Phänomen. Wenn der linke Stephen Frears nun seine Queen inszeniert, darf getrost mehr erwartet werden als bloße Hofberichterstattung. Wie in seinen besten „Wunderbarer Waschsalon“-Zeiten zeichnet er ein feinsinnig-sarkastisches Gesellschaftsporträt mit politischen Seitenhieben. Der Zeitpunkt zum Blick hinter die königlichen Kulissen könnte kaum besser gewählt sein: Tony Blair (Michael Sheen) hat gerade den Thron des Premiers bestiegen, Lady Di kommt bei einem Autounfall ums Leben. Die Welt ist schockiert. Die Queen (Helen Mirren) entpuppt sich als Königin des eiskalten Herzens und verschanzt sich stur im Urlaubsschloss. Erst der Sozialdemokrat Blair überredet die Monarchin zum öffentlichen Mitgefühl — sehr zum Missfallen seiner Gattin Cherie (Helen McCrory).
Mit verblüffender Leichtigkeit gelingt Frears bei seinem amüsanten Blick in das Innenleben des Königshauses eine fesselnde Charakterstudie. Die überragende Helen Mirren spielt nicht nur, sie ist diese Queen, eine Gefangene in den selbstgebauten Mauern von Tradition und Etikette. Hinter ihrer frostigen Maske der Emotionslosigkeit blitzen immer wieder Momente unterdrückter Gefühle durch. Bei aller Ironie, mit der dieser schrullige Lebensstil präsentiert wird, bekommt man immer mehr ein Gespür für die Gedankenwelten, für die große Einsamkeit der alten Dame, Abdankungsgefühle inklusive. Umgekehrt erlebt man auch Blair, den einst als großer Hoffnungsträger angetretenen Medienprofi, bei seinen taktischen Machtspielen. Famose Akteure, ein durchdachtes Drehbuch, effiziente Dramaturgie und herrliche Dialoge — bestes britisches Kino. God save „The Queen“.
Bewertung der redaktion
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