Von Marko Böttcher
Die Dauerausstellung „Bestimmung: Herrenmensch. NS-Ordensburgen zwischen Faszination und Verbrechen“ des Internationalen Platzes Vogelsang erhält den „German Design Award 2018“.
Das Areal der früheren NS-Ordensburg Vogelsang in der Nordeifel bei Schleiden-Gemünd erstreckt sich über eine riesige Fläche von 100 Hektar. Mitten im bewaldeten Nationalpark thronen die verschiedenen Gebäude und Plätze an den malerischen Hängen über den südöstlichen Ausläufern des Urftsees. Heute ist die vermeindliche Burg gleichzeitig ein imposantes Mahnmal und Zeugnis der menschenverachtenden Weltanschauung des Dritten Reichs als auch moderne Erinnerungs-, Begegnungs- und Tagungsstätte. Die 2016 eröffnete Dauerausstellung „Bestimmung: Herrenmensch. NS-Ordensburgen zwischen Faszination und Verbrechen“, die die Geschichte der ehemaligen Ordensburg mit einem Fokus auf die jungen Männer der angehenden NS-Führungselite veranschaulicht, wurde nun mit dem „German Design Award“ ausgezeichnet – einem der begehrtesten und anerkanntesten Design-Wettbewerbe weltweit. Die Ausstellung gewann den seit 2012 bestehenden Preis, der vom Rat für Formgebung für innovative Produkte, Projekte und Gestaltungstrends vergeben wird, in den Kategorien „Fair & Exhibition“ sowie „Universal Design“. Die Preisverleihung findet am 9. Februar 2018 in Frankfurt am Main statt.
Preisgekrönte Dauerausstellung „Bestimmung: Herrenmensch“
Auf zwei Ebenen können sich Besucher elf Kapitel lang über „Führer für den Führerstaat“ bis zu „Zäsuren und Kontinuitäten“ ein eigenes Bild von der eindrücklichen Geschichte des Ortes und dem Leben und der Taten seiner Akteure machen. Die Exponate, Personen, Schriftstücke, persönlichen Dokumente, Bücher, Uniformen, Fahnen, Alltagsgegenstände und weiteres werden durch Wandtexte und Texttafeln erklärt, eingeordnet und durch Video- und Toninstallationen multimedial begleitet.
Besonderen Wert legte das Kuratorteam der Akademie Vogelsang IP unter der Leitung von Stefan Wunsch neben der ausgetüftelten Belichtung und Farbgestaltung auch auf bauliche Aspekte: So wird die Fassade der Ausstellungsräume an mehreren Stellen durch verglaste Einbrüche beziehungsweise überdimensionierte Fenster durchzogen, wodurch der Ausblick auf die gewollt einschüchternde Enormität und Weitläufigkeit der Außenanlage in die Ausstellung einbezogen wird. Auf der zweiten, unteren Ebene ändert sich die Gestaltung bei den letzten beiden Kapiteln.
Hier werden die Ausstellungsstücke auf sterilen, eisblockartigen Tischen präsentiert. Der Raum ist in ein kühles, anteilnahmsloses Licht getaucht. Der Audiomitschnitt einer Frau, die als junges Mädchen die Ermordung eines Elternpaares vor dessen eigener Tochter durch einen ehemaligen Ordensjunker in den besetzten Ostgebieten miterleben musste, steigert die Betroffenheit beinahe ins Unerträgliche. Im letzten Kapitel werden die Besucher dann glücklicherweise Stück für Stück in die Gegenwart zurückgeholt, indem Nachkriegs-Biografien und schließlich die Charta der Menschenrechte in moderner Leuchtschrift und sieben verschiedenen Sprachen gezeigt werden. Ein weiteres Ziel der Kuratoren betraf die vollständige Barrierefreiheit der Ausstellung.
Außerdem wurden die Inhalte durch Brailleschrift und Tastmodelle für blinde und seheingeschränkte Menschen erfass- und somit auch erfahrbar gemacht. Diese besonderen Punkte fasst Stefan Wunsch mit einem überzeugenden Themenbezug zusammen: „Während der NS-Zeit wurde hier in diesen Gebäuden Ausgrenzung und Menschenverachtung gelehrt. Unsere heutige Gesellschaft ermöglicht demgegenüber so vielen Menschen wie möglich die Teilhabe. Neben Fremdsprachen gehört natürlich auch die Barrierefreiheit dazu.“ Neben dem nun verliehenen „German Design Award“ geben ihm die Besucherzahlen recht. Seit der Eröffnung im Herbst des letzten Jahres zog das Forum Vogelsang IP bereits 270.000 Menschen in seinen Bann, was für den Zeitraum eines Jahres eine beachtliche Zahl ist.
Der Umgang mit den baulichen Hinterlassenschaften des Nationalsozialismus stellt Kuratorinnen und Kuratoren ebenso wie Ausstellungsmacherinnen und -macher vielerorts vor ähnliche Herausforderungen. Fast zehn Jahre Planungs- und Vorbereitungszeit haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der gemeinnützigen Vogelsang IP, die gleichzeitig die Kuratoren der Ausstellung sind, in die Vorbereitung gesteckt.
Nazieliteschule wird zum pädagogischen Zeitzeugnis
Als eine von drei NS-Ordensburgen diente Vogelsang von 1936 bis 1939 als Eliteschule für die zukünftigen Führungskader des selbsterklärten Tausendjährigen Reichs, das dann aber nur 13 Jahre andauerte und, nach Abermillionen Toten und Vertriebenen, 1945 – wie viele Teile der Schwindelburg selbst – in Schutt und Asche lag. Bis Kriegsende wurde das Areal für verschiedene Zwecke umfunktioniert: Es diente zum Beispiel als Truppenquartier, beherbergte Klassen sogenannter Adolf-Hitler-Schüler, die Hitlerjugend und eine Jagdflugzeugstaffel. Nach dem Untergang des Dritten Reichs stand das Gelände zunächst unter britischer Jurisdiktion. 1950 wurde es an das belgische Militär übergeben, das es als „Camp Vogelsang“ für Truppenübungen nutzte, an denen später auch NATO-Einheiten inklusive der Bundeswehr teilnahmen.
Die militärische Geschichte Vogelsangs endete mit dem Jahreswechsel 2005/2006. Seit diesem Zeitpunkt gestaltete die von Geschäftsführer Albert Moritz vertretene gemeinnützige GmbH Vogelsang IP das Gelände kontinuierlich um und erschloss es nach und nach für verschiedene Zwecke. Neben der Herrenmensch-Ausstellung und Wechselausstellungen in den Kellerräumen können Besucher bei einer weiteren Dauerausstellung namens „Wildnis(t)räume“ die Naturwelt des NationalParks Eifel kennenlernen, für den Vogelsang IP mit und mit zur zentralen Anlaufstelle geworden ist.
Das ehemalige belgische Truppenkino steht mit bis zu 1.100 Plätzen neben anderen Möglichkeiten mit modernster Technik bereits heute als Tagung- und Seminarort zur Verfügung. Was den neuerlichen Erfolg betrifft, zeigt sich auch Albert Moritz hochzufrieden: „Dass wir mit der Dauerausstellung inhaltlich richtig liegen und schon viele, viele Impulse setzen konnten, wird uns von den Besucherinnen und Besuchern sowie der Fachwelt regelmäßig berichtet. Umso mehr freut es uns, dass nunmehr auch die Gestaltung der Ausstellung, in die alle Mitarbeitenden viel Energie und Kreativität gesteckt haben, so eine tolle Würdigung erfährt.“ \
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