Wir treffen uns zu einem Gespräch mit Stefan Stoll, der als Gast die Rolle des Falstaff in Verdis letzter Oper verkörpert, und dem Dramaturgen Kai Wessler. „Ein Lebenswerk der Leidenschaft endigt mit einem Ausbruch der Heiterkeit“, bemerkte Verdis Tex tdichter Boito zu dessen letztem Werk, was Wessler bestätigt, indem er „Falstaff“ als „irre Komödie“ bezeichnet, die sowohl auf Shakespeares „Lustigen Weibern von Windsor“ als auch seinem Heinrich IV. basiert. Sir John Falstaff ist ein Adliger, der unter den Bürgern von Windsor lebt und es sich gut gehen lässt. Das bringt die einfachen Bürger, die arbeiten müssen, um zu leben, gegen ihn auf. Als Falstaff zwei Frauen einen gleich lautenden Liebesbrief zukommen lässt, beschließen diese, ihn mit Streichen bloßzustellen. Falstaff ist ein Genussmensch. „Der lebt von einem Weinkrug zum nächsten. Wenn der keinen Kredit mehr hat: Pech“, stellt Stefan Stoll lachend fest. Und wie er da so vor einem sitzt und genießerisch einen Schluck von einem großen Kölsch nimmt, hat man das Gefühl, dass Stoll und Falstaff sich schon sehr ähnlich sind.
Stoll charakterisiert Verdis Protagonisten als eine „sehr lebenspralle Figur“ und kommt auch selber so rüber mit einer enormen Ausstrahlung, vor Schalk blitzenden Augen und seiner großen, gut gepolsterten Gestalt. Auch ohne jegliche Maske sitzt uns da ein moderner Sir John gegenüber. Auch wenn dieser Ritter anders als Falstaff natürlich seinen Lebensunterhalt bestreiten muss.
Doch „müssen“ erscheint in diesem Zusammenhang zu hart. Stoll, bemerkt man sofort, liebt seinen Beruf, sieht ihn vielleicht eher als Berufung. Obwohl sein Vater selber Opernsänger war, wollte Stefan Stoll diesen Weg eigentlich nicht einschlagen. Erst relativ spät, während seines Kompositionsstudiums, folgte er dem Ratschlag, doch einmal zu einem Gesangslehrer zu gehen. Und auch dann dachte er eher daran, in einem Rundfunkchor zu singen. Doch sein Lehrer meinte, er müsse an die Oper.
Und die Oper liegt ihm offensichtlich am Herzen. Angesprochen auf die ewigen Finanzierungsdebatten, gibt er zu, davon ein wenig genervt zu sein, sagt aber auch ganz klar, dass „die Auslastung sicher viel besser sein könnte, wenn es nicht so viel Müll auf der Bühne geben würde.“ Für ihn hat das Regietheater teilweise eine Entwicklung in die falsche Richtung gemacht. Oder es gebe, so sinniert Stoll, „nicht mehr genug Leute die imstande sind, gutes Regietheater zu machen. A la Harry Kupfer.“ Die darstellerische Seite seines Sängerberufes ist ihm sehr wichtig; mit statischen Inszenierungen kann er wenig anfangen. Er will, dass der Regisseur darauf vertraut, dass er nicht nur mit der Stimme, sondern auch mit seiner Mimik und Gestik Emotionen vermitteln kann.
In Aachen gefällt es ihm ausgesprochen gut und mit seinen zeitweiligen Kollegen und dem Regisseur des Falstaff, so Stoll, verstehe er sich bestens. Ja, er bezeichnet die Situation am Theater Aachen als geradezu „ideal“. Als wir gehen, kommt gerade das Essen, das Stefan Stoll bestellt hat. Als er so dasitzt und genüsslich die Aromen des Gerichts erschnuppert, sind wir uns sicher: Dieser Genussmensch und Sänger ist ein Glücksfall für die Rolle als Falstaff.
Text: Tanja Sprungala, Mitarbeit: Barbara Taxhet
Foto: Piero Vinciguerra
Termine:
5., 12., 16. und 27. Dezember
„Falstaff“
Theater Aachen, Bühne
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