Bier und Wir
Brauen, Trinken, feiern in Aachen
Der Werbespruch „Opa wurde hundertjährig, stets trank er Degraa obergärig“ ist vielen Aachenern noch bekannt, auch wenn die Brauerei Degraa längst nicht mehr existiert und und selbst der rostige Bär auf dem einstigen Stammhaus gerade in Wartung ist. Die Geschichte des Aachener Brauwesens spielte vor allem während der Industrialisierung überregional eine wichtige Rolle. Die Ausstellung „Bier und Wir. Brauen, Trinken, feiern in Aachen“ geht auf Spurensuche.
Handwerklich gebrautes Bier
Durch das Trendthema Craft Beer ist handwerklich gebrautes Bier jenseits des Mainstreams der Großbrauereien wieder in den Fokus der Aufmerksamheit gerückt. Zeit also, sich mit den historischen Wurzeln zu beschäftigen: Karl der Große gilt als mäßiger Bier-Trinker, dennnoch wurde auf der Aachener Synode Bier zum Heilmittel erklärt, es war - sowohl in Hausbrauereien als auch in Klöstern gebraut - nahrhaft und keimfrei. Eine Tradition, die zum Teil bis heute fortbesteht, vor allem in Belgien gilt Kloster- oder gar Trappistenbier als besondere Spezialität.
Ausstellungsaufbau
Das älteste Stück der Ausstellung ist ein Holzkästchen mit Hexagramm, dem Zunftzeichen der Brauer und Mälzer aus dem 18. Jahrhundert. Die Ausstellungs-Szenografie ist erfrischend undogmatisch: Im Eingangsbereich stimmen eine stilisierte Brauerei und eine Theke als Produktions- und Konsumstätte auf das Thema ein, Tische und Stühle aus verschiedenen Kneipen machen das Foyer zum „Stammtisch“.
Geschichte des Brauens
Ein Zeitstrahl dokumentiert die Geschichte des Brauens, die neben der Reglementierung durch die Zünfte - Stichwort: 1516 bayrisches Reinheitsgebot - vor allem durch technische Neuerungen im Zuge der Industrialisierung geprägt war. Der Einsatz von Dampfkesseln, fortschrittliche Kühlsysteme, die Verwendung reiner Hefekulturen und eine generelle Verbesserung der Hygiene waren Meilensteine auf dem Weg zu modernen Braufabriken.
Wirtschaftsgeschichte
Hier erscheint das Brauwesen wie ein Konzentrat europäischer Wirtschaftsgeschichte: In Aachen wurden Mitte des 19. Jahrhunderts die Dampfkessel für die Piedboeuf-Brauerei in Jupille bei Lüttich hergestellt, in der bis heute „Jupiler“, eines der beliebtesten Biere Belgiens, hergestellt wird. Zahlreiche Exponate vom Bierdeckel über historische Fotografien bis zum Werbeschild illustrieren die spannende Geschichte der Aachener Braustätten, so werden u.a. die Brauerei Degraa, Bürger-Bräu, Decker, Abteibräu, Klinkenberg und Walfrisch näher vorgestellt. Im 19. Jahrhundert gab es rund 80 Brauereien rund um Aachen, im Spätherbst 2017 wurde eine Braustätte am Alten Schlachthof installiert - endlich gibt wieder echtes Öcher Bier!
Kneipenkultur
Ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf der vielfältigen Aachener Kneipenkultur, von der es ja lange Zeit hieß, hier gäbe es die höchste Kneipendichte pro Einwohner. Wahrscheinlich ein klassischer Fall von Öcher Selbstüberschätzung, jedenfalls kann man heute von der Pracht vergangener Zeiten, aber auch der Originalität mancher Läden nur noch träumen: Ob legendäre Tanzlokale wie das Café Vaterland mit eigener Live-Kapelle, das „Wohnzimmer mit Nachtlizenz“ von Madame Dumont, der moderierende Diskjockey Klaus Quirini, der als „DJ Heinrich“ den Scotch Club zur ersten Diskothek machte, oder das die Punkkneipe „Hauptquartier“ mit Maria als resoluter Wirtin… da wird wohl so manches Ausstellungsstück für melancholische Seufzer sorgen.
Rahmenprogramm
Bei rund 200 Exponaten - die Bierfilze sind dabei noch nicht einmal einzeln gezählt - wird schnell deutlich, dass das Thema „Bier“ Stoff für mehrere Ausstellung bietet, wie gut, dass sich die Recherche durch ein attraktives Rahmenprogramm vertiefen lässt, z.B. durch Brauereibesuche, Stadtspaziergänge auf den Spuren historischer Gaststätten oder Verkostungen unter Anleitung eines Bier-Sommeliers. Diese Art von Museumspädagogik düfte auch erwachsenen Besuchern gefallen und zum Museumsbesuch animieren. // Belinda Petri
»> der Artikel erschien zuerst im KLENKES 10/2017
verlängert bis 8.4.2018 !
Centre Charlemagne
Katschhof 1
centre-charlemagne.eu
Katalog:
14,90 Euro
Foto: Gaststätte Degraa am Theater (Pressefoto: Michael Chauvistré)
Centre Charlemagne - Veranstaltungen
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