Von Dieter Oßwald
Poesie schlägt Zynismus: Mit diesem magischen Märchen über Außenseiter, die Arroganz der Macht und die Kraft der Liebe eroberte Guillermo del Toro das Festival von Venedig im vergangenen September im Sturm und gilt nun, nach dem Gewinn weiterer Auszeichnungen in den USA, als Oscar-Favorit.
Baltimore, Anfang der 1960er-Jahre. Höchstpersönlich hat Sicherheitschef Richard Strickland (Michael Shannon) einen Amphibienmann (Doug Jones) aus dem Amazonas gefischt und in ein geheimes Forschungslabor der US-Armee gebracht. Die stumme Reinigungskraft Elisa (Sally Hawkins) sorgt dort für Sauberkeit. Als sie das fremde Wesen in seinem Tank entdeckt, ist es sofort um sie geschehen.
Der Beginn dieser wunderbaren Freundschaft wird abrupt gestört, als Strickland seinen Gefangenen brutal malträtiert. In Gefahr und größter Not wächst die zierliche Putzfrau über sich hinaus. Mit Hilfe ihrer resoluten Kollegin Zelda (Octavia Spencer), ihres sensiblen Nachbarn Giles (Richard Jenkins) sowie eines russischen Spions (Michael Stuhlbarg) befreit Elisa den Wassermenschen aus den Klauen des US-Militärs. Das Happy End ist jedoch längst nicht sicher.
Mit „Hellboy“, „Crimson Peak“, „Pans Labyrinth“ und weiteren Werken hat Guillermo del Toro sein überbordendes Fabuliertalent im Fantasyfilm bereits famos unter Beweis bestellt. Mit „Shape of Water“ habe er nun erstmals, wie der Regisseur stolz bekennt, die Monster-Ängste seiner Kindheit hinter sich gelassen. Er hat ein Märchen erdacht und inszeniert, dessen pure Poesie alle Kitsch-Klippen mit erstaunlicher Eleganz souverän umschifft. Seine psychologisch plausibel entworfenen Figuren haben spürbar Herz und Seele.
Wie in jedem guten Märchen sind die Rollen klar verteilt. Den Schönen, Guten, Wahren wird jedes Glück gegönnt, den miesen Unmenschen mag getrost der Teufel holen. All das bekommt seinen ganz besonderen Mehrwert, weil die „Es war einmal“-Geschichte zeitlos aktuell ist. Selbstherrliche Macht-Zombies à la Strickland haben den Kalten Krieg mühelos überlebt und auch den homophoben und rassistischen Kellner, wie er hier zu sehen ist, wird man noch heute problemlos überall finden.
So klar die Gesellschaftskritik auch ist, so dezent wird sie verpackt, plakatives Botschaftskino braucht schließlich kein Mensch. Grandios erzählt, virtuos bebildert sowie exzellent gespielt: So wie dieser Film hätte es wohl schon 1954 ausgesehen, wenn Regielegende Douglas Sirk und nicht Jack Arnold „Der Schrecken vom Amazonas“ inszeniert hätte. \
Bewertung der redaktion
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