Von Kira Wirtz
Bühne und Kostüme stammen von Moritz Junge. Das klingt zwar alles sehr modern, doch wenn man ehrlich ist, beherrscht die Sehnsucht nach Klatsch und einem voyeuristischen Blick hinter die Türen der Schönen und Reichen die großen Theaterstücke – spätestens seit Shakespeare.
Thomas Adès Oper über das skandalträchtige Leben der „Dirty Dutchess“ wurde Ende der 1990er uraufgeführt, hat von alldem mehr als genug und besticht zudem mit einer außergewöhnlichen Klangsprache. „Adès schafft mit seiner Musik eine Bildsprache. Man fühlt die Traurigkeit in der Musik und natürlich die Leidenschaft“, beschreibt Regisseur Ludger Engels.
Aber wer ist die Dame, der eine Oper gewidmet wurde? Margaret Campbell, durch ihre zweite Hochzeit die Duchess of Argyll, war eine schillernde und exzentrische Frau, die ihre Leidenschaft frei auslebte. Und das wurde ihr in einer von Männern dominierten Welt zum Verhängnis. Als ihr cholerischer und selbst äußerst umtriebiger Ehemann von den Eskapaden seiner Frau erfährt, reicht er die Scheidung ein. Sie sei „eine sexuell hochstimulierte Frau, die widerwärtige sexuelle Aktivitäten begonnen hatte“, urteilte der Scheidungsrichter, als er sie aufgrund eines Polaroids, das ihr emanzipiertes Liebesleben enthüllte, wieder aus dem Adelsstand enthob.
Fortan musste sich Margaret, eine der glamourösen Frauengestalten der englischen Society des 20. Jahrhunderts, als „Dirty Duchess“ beschimpfen lassen. In sieben Episoden skizziert Adès’ Oper das Leben von Margaret, das 1912 begann und 1993 in einem englischen Pflegeheim in Armut endete. „Bis zuletzt lebte Margaret ihr Recht auf Sexualität und auf ein Altwerden in Würde aus. In der Oper erlebt der Zuschauer ihren Kosmos, taucht durch Rückblenden in ihr Leben ein.“ Dabei ähnelt die Geschichte einem Kaleidoskop von wahren Situation und Traumsequenzen. Denn bei den dargestellten Ereignissen aus dem Leben der Herzogin wird nie ganz deutlich, ob es sich um echte Begebenheiten oder um Erinnerungen der Hauptfigur handelt.
„Die Erinnerungen der alten und das Erlebte der jungen Dutchess greifen ineinander. Es ist die Collage eines Alptraums. Man fragt sich unweigerlich, was wirklich passiert ist. Das ist fast vergleichbar mit Filmen von David Lynch“, so Engels. Um dieses Gefühl zu verstärken, besetzt er die Dutchess gleich doppelt: Elisabeth Ebeling spielt die resümierende Herzogin am Ende ihres Lebens, Eva Bernard die junge Version der rücksichtslosen und zugleich ausgenutzten Herzogin. Die Überlagerung von Außen- und Innenwelt wird noch dadurch verstärkt, dass die anderen drei Sänger alle anderen Rollen in den verschiedenen Szenen übernehmen.
Adès‘ Musik ist sehr facettenreich: „Seine überaus sinnliche aber auch direkte Musiksprache greift dabei Elemente sowie verschiedene Situationen und Epochen ihres Lebens auf und führt einen auf der einen Seite in die Welt der Londoner Nachtclubs mit Tango und Jazzmusik und auf der anderen Seite in die eigene Welt der Gedanken und Fantasien der Dutches, wofür Adès ganz eigene Klangflächen schafft.“ \
19., 26. + 31.3.
„Powder Her Face“ 18 Uhr,
Bühne, Theater Aachen
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